Eine andere engagierte Schwester

Forum
Ausgabe
2023/16
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21718
Schweiz Ärzteztg. 2023;(16):19

Publiziert am 19.04.2023

Der Artikel über die Ordensschwester Liliane Juchli ruft mir eine andere Schwester in Erinnerung, die zu einer anderen Zeit und unter anderen Umständen gelebt hat, aber auch unter schwierigsten Umständen Grosses geleistet hatte. Der jüdische Arzt Moses Wallach aus Frankfurt eröffnete 1902 das erste Spital ausserhalb der Stadtmauern von Jerusalem, das damals noch zum Osmanischen Reich gehörte. Zwei Jahre später folgte ihm Selma Mayer, auch aus Frankfurt, als Oberschwester. Trotz schwierigsten Verhältnissen und knappen Budgets brachte sie es fertig, einen gut funktionierenden, modernen Schwesterndienst aufzubauen. Sie selbst hatte eine schwere Kindheit, ihre Mutter starb als sie fünf Jahre alt war, und sie nahm sich vor, sich der Armen und Kranken anzunehmen. Sie war nicht verheiratet und wohnte im Spital. Als ich 1972 ein Jahr lang in diesem Spital arbeitete, war sie schon weit über achtzig und wohnte immer noch in ihrem Zimmer im Spital, und einmal in der Woche kam sie in die Abteilung zu den Kranken und dem Personal, jedermann kannte «Schwester Selma» – und zwar das Wort «Schwester» auf Deutsch. Sogar auf ihrem Grabstein schrieb man «Schwester» Selma, aber mit hebräischen Buchstaben. Und noch lang nach ihrer Pensionierung war die pflegerische Betreuung besser und menschlicher als in anderen Spitälern in Israel.
Dr. med. Peter Joel Hurwitz, Kfar Vradim, Israel