Rundum gut versorgt

Zu guter Letzt
Ausgabe
2023/17
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21723
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(17):82

Publiziert am 26.04.2023

Das schweizerische Gesundheitswesen wird immer wieder als eines der besten weltweit bezeichnet. Meist geschieht dies ziemlich plakativ zu Beginn von Artikeln und Referaten. Dann aber folgt fast immer ein schneller Schwenker auf die Probleme, welche die Qualität der Gesundheitsversorgung bedrohen oder sogar schon in den Sinkflug haben übergehen lassen. Die hängigen Fragen vom Fachkräftemangel über die Arbeitsbedingungen, die Kostenentwicklung, die Sicherstellung der Grundversorgung, die Spitalplanung bis hin zur Unter- oder Überversorgung sind bekannt und Gegenstand berechtigter Sorge.
Unverhofft hatte ich in den letzten Wochen die Möglichkeit, das Funktionieren einiger Institutionen unseres Gesundheitswesens selbst zu erleben. Ich musste mich einer grösseren Abdominaloperation unterziehen und habe ausgesprochen gute Erfahrungen gemacht. Darüber möchte ich heute schreiben. Es ist mir ein Anliegen, einen positiven und dankbaren Blick auf die Leistungen zu werfen, die in unseren Spitälern und ambulanten Einrichtungen erbracht werden. Ungeachtet der Strukturprobleme, die für die Zukunft dringend gelöst werden müssen, hatte ich das Glück, zu erleben, wie gut wir gegenwärtig versorgt sind.
Werner Bauer
Dr. med., ehemaliger Präsident des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF
Was habe ich erlebt? Aufgrund einer Verdachtsdiagnose wurde ich ohne zermürbende Wartezeit zur gezielten Abklärung aufgeboten. Die Spezialuntersuchungen erlebte ich als koordiniert und ausgezeichnet organisiert. Ich begegnete Mitarbeitenden, die alle einen sehr professionellen, aber auch menschlich zugewandten Eindruck machten. Am Anmeldeschalter herrschte keine Bürokratie, sondern Zuvorkommenheit und die Radiologie-Assistentinnen erklärten jeden Schritt des Prozederes und vergassen nicht zu fragen, ob eine warme Decke angenehm wäre.
Meine guten Erfahrungen gingen auch im Kontakt mit den Ärztinnen und Ärzten weiter, die mir die Befunde und die Optionen erklärten und für Nachfragen auch kurzfristig zur Verfügung standen. Nachdem die Indikation für eine Operation klar geworden war, führte der Chirurg ein Aufklärungsgespräch, während dem er nicht ungeduldig auf die Uhr schielte. Er schaffte es, die möglichen Komplikationen und einen unerfreulichen Ausgang zu erwähnen, ohne mir die Zuversicht zu nehmen, ich sei in guten Händen.
Im betreffenden Spital lief ein Projekt zum postoperativen Management mit Frühmobilisation, in dessen Rahmen speziell geschulte Pflegende, Ernährungsberaterinnen und Physiotherapeuten schon vor der Operation und postoperativ täglich Anleitung, Erklärungen und Ermutigung vermittelten.
Schmerz macht allen Patientinnen und Patienten Angst, so auch mir. In der Rückschau stelle ich fest, dass die postoperativen Schmerzen deutlich geringer waren als befürchtet. Der Anästhesist erklärte ausführlich das Konzept der Schmerzbekämpfung mit einer Periduralanästhesie und den ergänzenden Medikamenten. Ein Schmerzteam der Anästhesie besuchte mich täglich, um die Behandlung zu optimieren und den richtigen Moment zur Entfernung des Katheters im Wirbelkanal zu bestimmen.
Auch wenn heute viel von der Überlastung des Pflegepersonals gesprochen wird, habe ich davon als Patient nichts gespürt. Die Pflegenden haben beides bestens geschafft: die professionelle Arbeit und die menschliche Zuwendung. An etwas muss man sich gewöhnen: Wenn Pflegende oder ärztliche Fachpersonen heute die Zimmertür öffnen, schaut man nicht zuerst in ein freundliches menschliches Gesicht, sondern auf die Rückwand eines grossen Bildschirms, der auf einem vom Bett aus monumental erscheinenden Schiebekastenwagen hinein rollt. Dahinter erst taucht dann das freundliche menschliche Gesicht auf. Ohne diesen Bildschirm läuft heute aber nichts mehr und so muss man halt die Aufmerksamkeit der Pflegenden und der Ärztinnen und Ärzte mit ihm teilen.