Besser kommunizieren

Wissen
Ausgabe
2023/19
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21744
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(19):70-71

Publiziert am 10.05.2023

Gesundheitskompetenz Sie beantworten Fragen zu Krankheiten und informieren über Vorsorgemassnahmen – Gesundheitsfachpersonen spielen eine zentrale Rolle bei der Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung. Aber welche Kompetenzen brauchen die Professionellen, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden? Eine neue Studie gibt Auskunft.
Um die Gesundheitskompetenz der Schweizerinnen und Schweizer ist es nicht zum Besten bestellt. So zeigte eine Studie des «Careum Zentrum für Gesundheitskompetenz», dass rund die Hälfte der Bevölkerung Mühe hat im Umgang mit Informationen, die für ihre Gesundheit relevant sind [1]. Umso wichtiger ist es, dass Gesundheitsfachpersonen ihre Patientinnen und Patienten unterstützen können, sich im Informationsdschungel zurechtzufinden und gute Entscheidungen zu treffen.
Aber wie steht es um die Gesundheitskompetenz von Ärztinnen, Ärzten, Pflegenden und Angehörigen anderer Gesundheitsberufe? Dieser Frage ging das Careum gemeinsam mit Partnerorganisationen in einer Dreiländerstudie Schweiz-Deutschland-Österreich nach (vgl. Kasten). Dazu haben die Forschenden erstmals eine «professionelle Gesundheitskompetenz» definiert und insgesamt rund 6400 Gesundheitsfachkräfte dazu befragt: In allen drei Ländern waren darunter Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte. In der Schweiz und in Österreich zusätzlich Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten. In der Schweiz zudem Apothekerinnen und Apotheker.
Die professionelle Gesundheitskompetenz berücksichtigt gemäss der Definition der Forschenden nicht nur, wie im Gesundheitswesen Tätige sich auf dem aktuellen Wissensstand halten, sondern auch, wie gut sie in der Lage sind, ihren Patientinnen und Patienten Informationen zu vermitteln und sie im Gespräch und bei konkreten Entscheidungen zu begleiten. Dabei unterscheiden die Autorinnen und Autoren der Studie vier Bereiche: Informationsmanagement, Informationsvermittlung, patientenzentrierte Kommunikation und professionelle digitale Gesundheitskompetenz.

Professionelle Gesundheitskompetenz – die Studie

Die Online-Befragung zur professionellen Gesundheitskompetenz https://careum.ch/de/professionelle-gesundheitskompetenz-gesundheitsfachpersonen im Sommer 2022 umfasste Gesundheitsfachpersonen in der Schweiz (1613 Befragte), Deutschland (930 Befragte) und Österreich (3876 Befragte).
Die Trägerschaft der Studie:
Schweiz: Careum Zentrum für Gesundheitskompetenz (Initiator)
Deutschland: Universität Bielefeld, Hertie School Berlin
Österreich: Gesundheit Österreich GmbH

Herausforderung digitale Welt

Die Ergebnisse der Befragung zeigen über alle drei Länder hinweg Gemeinsamkeiten. Am besten gelingt allen Berufsgruppen die patientenzentrierte Kommunikation, gefolgt vom Informationsmanagement und der Informationsvermittlung. Die grösste Herausforderung ist in der Schweiz, Deutschland und Österreich für alle Berufsgruppen die digitale Gesundheitskompetenz – also Patientinnen und Patienten dabei zu unterstützen, digitale Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und zu nutzen.
Zur Veranschaulichung: Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz erzielten bei der patientenzentrierten Kommunikation rund 76 von 100 möglichen Punkten, beim Informationsmanagement 65, bei der Informationsvermittlung 64 und im digitalen Bereich 50 Punkte. Die Schweizer Ärztinnen und Ärzte erreichten damit in drei der vier Bereiche die höchste Punktzahl aller Berufsgruppen. Die Ausnahme betrifft die digitale Gesundheitskompetenz. Hier schneiden Fachkräfte aus Pflege, Physiotherapie und Apotheke leicht besser ab – was eventuell mit dem tieferen Durchschnittsalter in diesen Berufen zu erklären ist.
Worin liegen nun die Schwierigkeiten genau? Dies sei ebenfalls am Beispiel der Ergebnisse für die Schweiz ausgeführt. Die zumeist grösste Herausforderung im digitalen Bereich ist es, Patientinnen und Patienten bei der Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit von digitalen Informationen zu unterstützen. Dies empfinden rund 40% aller Befragten als eher oder sehr schwierig. Als schwierigste Aufgabe im Bereich des Informationsmanagements wird die korrekte Einordnung von statistischen Ergebnissen und die Beurteilung von deren Evidenz angegeben. Bei der Informationsvermittlung bestehen die grössten Schwierigkeiten erstens darin, einzuschätzen, inwiefern kulturelle Unterschiede das gegenseitige Verständnis erschweren und zweitens im Umgang mit fehlinformierten Patientinnen und Patienten.
Interessant sind zudem die Unterschiede in Bezug auf die erfragten Rahmenbedingungen der Berufsgruppen: Pflegekräfte fühlen sich beispielsweise aufgrund ihrer Ausbildung deutlich besser darauf vorbereitet, Informationen zu vermitteln und Gespräche zu führen als Ärztinnen und Ärzte. Umgekehrt haben Pflegende deutlich seltener ausreichend Zeit oder die geeigneten Räumlichkeiten für Gespräche.
Die Befragten der Studie gaben an, dass ihnen Kommunikations- und Vermittlungstechniken eher wenig bekannt sind.
© Pavan Trikutam / Unsplash

Kein Selbstläufer

Im Webinar zu den Studienergebnissen gab eine Frage zu reden, auf die keine endgültige Antwort möglich ist: Wie verlässlich ist die Selbsteinschätzung kommunikativer Fähigkeiten? Ausserdem kann man sich fragen, wie die Werte zu beurteilen sind: Sollten sie alle höher sein? Oder zeugt es umgekehrt von einer ehrlichen Selbstbeurteilung, die gelassen zu betrachten ist? Wenn man etwas als schwierig erlebt, heisst es ja nicht zwingend, dass man es in der Praxis nicht kann. Sondern eben schlicht, dass es eine Herausforderung ist und einer Anstrengung bedarf.
Dass professionelle Gesundheitskompetenz kein Selbstläufer ist, zeigt sich in der Studie auch daran, dass die Dauer der Berufserfahrung nicht mit den erreichten Punktzahlen korreliert. Es gilt die entsprechenden Fähigkeiten im lebenslangen Lernen immer wieder und neu zu erarbeiten. Dabei fällt allerdings auf, dass eine Mehrheit der Befragten mit dem Konzept der Gesundheitskompetenz nur wenig oder gar nicht vertraut ist. Auch geben die Befragten an, dass ihnen Kommunikations- und Vermittlungstechniken, die Patientinnen und Patienten im Umgang mit Informationen unterstützen können, eher wenig bekannt sind.

Digitale Kompetenzen stärken

Die Autorinnen und Autoren der Studie sehen denn auch Verbesserungspotenzial. So gelte es in der Aus- und Weiterbildung Aspekte aufzunehmen, die bei der Befragung als herausfordernd genannt wurden – angesichts der digitalen Transformation des Gesundheitswesens sind dabei die digitalen Kompetenzen besonders wichtig. Gleichzeitig sind allerdings auch die Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Denn alles Wissen nützt nichts, wenn es an Raum und Zeit fehlt, um die Patientinnen und Patienten gut unterstützen zu können.