«Wir haben immer eine klare Strategie»

Interview
Ausgabe
2023/2021
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21747
Schweiz Ärzteztg. 2023;(2021):18-21

Publiziert am 17.05.2023

Öffentlichkeitsarbeit Was kann die Ärzteschaft in puncto PR vom Bauernverband lernen? Der Schweizer Bauernverband (SBV) ist seit Jahren in der Öffentlichkeit präsent und bewegt die nationale Politik. Martin Rufer, Direktor des Verbands, erklärt das Erfolgsrezept.
Martin Rufer, Sie waren der Überraschungsgast an der Ärztekammer im vergangenen Frühling und gaben Einblick in die Öffentlichkeitsarbeit der Landwirtinnen und Landwirte in der Schweiz. Was interessierte die Ärzteschaft am meisten an der Arbeitsweise des Schweizerischen Bauernverbandes (SBV)?
Wie wir als Dachverband Einigkeit innerhalb unserer 85 Mitgliedsorganisationen herstellen können. Sie ist das A und O, wenn man politisch Erfolg haben will. Wie bei der FMH gehören neben 25 Kantonalen Bauernverbänden auch rund 60 Fachorganisationen zum SBV, die verschiedenste Interessen vertreten: Gemüseanbau, Milchwirtschaft, Berglandwirtschaft, Schweinemast… Bei wichtigen politischen Entscheiden müssen sich alle Organisationen auf eine gemeinsame Position einigen können. Deswegen hat der enge Kontakt und Austausch mit den Mitgliedern beim SBV traditionsgemäss einen sehr hohen Stellenwert. Dies bedeutet, dass wir verbandsseitig Informationen und Argumente zu wichtigen Themen frühzeitig und gut verständlich aufbereiten und regelmässig verbreiten. Ferner sind wir bestrebt, dass jemand aus der Geschäftsleitung oder der Präsident einmal pro Jahr an den Hauptversammlungen jeder Mitgliedsorganisation präsent ist. Dies erlaubt uns, unsere aktuellen Aktivitäten vorzustellen und gleichzeitig zu hören, was die Basis bewegt.
Martin Rufer ist seit 1. April 2020 Direktor des Schweizer Bauernverbands. Er ist Ingenieur Agronom ETH und leitete vor der Amtsübernahme das Departement Produktion, Märkte und Ökologie des Bauernverbands.
© Eve Kohler
Neben aktivem Dialog und steter Information: Welche weiteren Faktoren sind entscheidend, damit die Mitgliederorganisationen gemeinsame Positionen finden?
Es braucht effiziente Verbandsstrukturen und Gremien, welche die Heterogenität der Mitglieder und ihrer Organisationen abbilden – produktionstechnisch, fachlich, sprachlich und politisch. Unsere Statuten legen beispielsweise fest, dass mindestens ein Drittel des Vorstandes aus der lateinischen Schweiz stammen und das Berggebiet angemessen vertreten sein muss. Ausserdem gibt es ungeschriebene Gesetze, etwa dass Präsidium und Direktion durch Mitglieder unterschiedlicher politischer Couleur besetzt sein müssen. Dieser Usus sorgt für Ausgeglichenheit bei personellen Entscheiden und extern für ein ausgezeichnetes Netzwerk. Zudem verhindert er, dass man als Organisation eine bestimmte politische Schlagseite bekommt. Nicht zuletzt braucht es für Einigkeit auch ein Bewusstsein für die 90% gemeinsamen Interessen, auf die es sich zu konzentrieren gilt. Gepaart mit dem ebenso bewussten Verzicht, sich in die 10% Differenzen zu verbeissen, damit Energie zu verschwenden und Schwächen zu offenbaren, die medial wie politisch ausgenützt werden können.
Der Bauernverband ist bekannt für seine erfolgreiche politische Arbeit. Was macht er richtig?
Wir haben immer eine klare Strategie, der Rest des Lobbyings ist grösstenteils pures Handwerk: Welche Information muss wann an welche behördlichen oder politischen Personen gelangen, wer redet wann mit wem? Bringt man sich erst ein, wenn das Parlament debattiert, ist es zu spät. Es braucht auch Expertise und die guten Argumente. Diese klassischen Lobby-Aufgaben delegieren wir nicht an eine externe Agentur, sondern leisten sie selber. Dies ist ebenso transparent wie authentisch: Wenn ich ins Bundeshaus gehe, ist klar, dass ich mich für die Anliegen der Landwirtschaft einsetze. Und was auf allen Ebenen wesentlich zum Erfolg beiträgt: Wir sind mit Herzblut bei der Sache. Unsere Gremien setzen sich mehrheitlich aus Bäuerinnen und Bauern zusammen. Wer beim Bauernverband arbeitet, hat meistens eine persönliche Verbindung zur Landwirtschaft. Daher ist der Antrieb gross, wenn nötig Aussergewöhnliches zu leisten. Auch ausserhalb der Bürozeiten.
Ist dies mit ein Grund dafür, dass die Mitglieder diese Aktivitäten unterstützen?
Es ist eine Daueraufgabe, aufzuzeigen, was man als Verband leistet. Dies gelingt uns, weil wir einen hohen Organisationsgrad haben und regelmässig und in hohem Takt darüber informieren, was wir tun und erreichen. Daran können unsere Mitglieder sehen, dass sich ihre Beiträge lohnen. Ferner erbringen wir viele Dienstleistungen sowohl für die Mitgliederorganisationen. Wir haben insgesamt einen sehr hohen Organisationsgrad, über 95% der Bäuerinnen und Bauern sind unter unserem Dach organisiert. Zudem stimmen wir unsere Aktionen immer eng mit den Mitgliederorganisationen ab. Im Übrigen sind wir stets bestrebt, uns zu verbessern: Nach grösseren Anlässen gibt es jeweils ein Debriefing, an dem wir mit allen Beteiligten Gelungenes und Entwicklungsfähiges analysieren.
Ihr Verband investiert nicht nur viel in die politische Arbeit, sondern auch ins gute Image des Bauernstandes. Warum braucht es das?
Bei der Basiskommunikation und der Öffentlichkeitsarbeit rollen wir sozusagen seit Jahren einen Teppich aus, um ein Grundverständnis und die Sympathie für die Landwirtschaft zu fördern. Wir bedienen dafür zwei Schienen: Auf der einen vermitteln wir vor allem Wissen darüber, wie Landwirtschaft funktioniert, was ihre Hintergründe sind, warum es vielleicht manchmal Tierarzneimittel braucht, et cetera. Die andere Schiene umfasst alle imagefördernden Massnahmen, die den Wert und das Wesen der Schweizer Landwirtschaft darstellen, sinnlich erfahrbar machen und auch emotional bewegen, etwa mittels Bildern und über Veranstaltungen. Hierzu gehören Events wie der Tag der offenen Hoftüre, der 1.-August-Brunch, die Tournee des Hof-Theaters, Schule auf dem Bauernhof und demnächst auch die Foodtruck-Besuche in den Städten, um die Landwirtschaft der städtischen Bevölkerung noch näher zu bringen. Gerade für die Imagekampagnen sind die sozialen Medien ideale Kommunikationskanäle, weshalb wir uns in diesem Bereich entsprechende Kompetenzen aufgebaut haben. Der erwähnte Teppich ist eine wichtige Grundlage für den Erfolg in den Märkten und in der Politik.
Laufen diese permanenten und umfangreichen Massnahmen nicht Gefahr, das Publikum zu ermüden?
Meiner Meinung nach kann man fast nicht genug tun, um die wesentlichen Botschaften im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Der Wiedererkennungseffekt hilft dabei. Wenn wir das Wohlwollen der Konsumentinnen und Konsumenten gewinnen können, sind sie auch eher bereit, einen fairen Preis für landwirtschaftliche Produkte zu bezahlen und die nötigen Rahmenbedingungen für die Arbeit der Bauernbetriebe zu unterstützen. Die Basiskommunikation bereitet den Boden für unsere politische Arbeit und muss immer wieder mit neuen Themen bespielt werden.
Für Martin Rufer hat der enge Kontakt und Austausch mit den Mitgliedern beim Schweizer Bauernverband einen sehr hohen Stellenwert.
© Eve Kohler
Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten zwischen dem Bauernverband und der FMH?
Sowohl die Medizin als auch die Landwirtschaft kümmern sich um elementare Güter, um Gesundheit und Nahrungsmittel. Beides sind sehr emotionale Themen, und das ist gut. Die Menschen interessieren sich für unsere Tätigkeiten. Beide Berufe geniessen hohes Vertrauen in der Bevölkerung; der Schweizer Landwirtschaft vertrauen hierzulande laut Umfragen 85% der Einwohnerschaft – ein Wert, der bei Ärztinnen und Ärzten sicher mindestens so hoch ist. Dieses Vertrauen ist eine hervorragende Voraussetzung für die Öffentlichkeitsarbeit und die politische Interessenvertretung. Auch an Herzblut fehlt es weder der Ärzteschaft noch den Landwirtinnen und Landwirten. Wer all diese vorteilhaften Faktoren gezielt nutzt, als starke Einheit auftritt, seine Forderungen verständlich formuliert und klar platziert, hat beste Chancen, die nötigen Mehrheiten zu finden.

Der Gesundheits-Podcast der FMH

Seit Anfang des Jahres hat die FMH ihre Öffentlichkeitsarbeit um den Gesundheits-Podcast «An meiner Seite» erweitert. Es handelt sich dabei um den ersten Teil einer längerfristigen Imagekampagne für den Arztberuf, der für alle drei Sprachregionen in Planung ist. Im Podcast erzählen Patientinnen und Patienten gemeinsam mit ihren Ärztinnen und Ärzten, wie sie mit ihrer Erkrankung umgehen und zusammenarbeiten, um möglichst viel Lebensqualität herzustellen. Der Podcast zeigt auf, welchen Mehrwert die ärztliche Begleitung für die Patientinnen und Patienten schafft, wie sie ihre Betreuung erleben und was sie sich dafür in Zukunft wünschen. Ein packender Einblick in eine hochstehende Medizin, die sich am Menschen orientiert. www.an-meiner-seite.ch