Kopf der Woche

Eine Hausarztpraxis nur für Flüchtlinge

News
Ausgabe
2023/16
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21748
Schweiz Ärzteztg. 2023;(16):9

Publiziert am 19.04.2023

Kanton Glarus Mehr als 340 Personen mit Schutzstatus S bei einer Bevölkerung von 40 000 Menschen: In Glarus ist die Asylsituation angespannt. In dem kleinen Kanton arbeiten die Hausärzte und -ärztinnen bereits an der Grenze ihrer Kapazitäten. Um eine flächendeckende Versorgung der zahlreichen ukrainischen Flüchtlinge zu gewährleisten, hatte der Kantonsarzt, Dr. med. Jörg Allmendinger die Idee, eine neue Hausarztpraxis ins Leben zu rufen: «Die grenzsanitarischen Untersuchungen zeigten, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine oftmals eine medizinische Betreuung benötigten. Die niedergelassenen Ärzte waren daran interessiert, sie zu betreuen, konnten dies aber aufgrund ihrer Überlastung nicht tun. Wir mussten also eine Lösung finden, um die Kollegen zu entlasten und gleichzeitig diese Flüchtlinge zu versorgen», erklärt er.
Dr. med. Jörg Allmendinger
© Erich Häsler
Nach einigen Unsicherheiten bezüglich der Infrastruktur und des Personals haben die Sprechstunden vor Ostern angefangen. Sie werden von einem pensionierten Arzt aus Glarus geleitet. Unterstützt wird er von einer medizinischen Praxisassistentin. Die Praxis ist an einem Tag pro Woche geöffnet. Zur Verfügung gestellt werden die Räumlichkeiten zu den branchenüblichen Konditionen von einem anderen pensionierten Glarner Arzt. «Es war nicht einfach, die Person und den Ort zu finden. Die Anzahl Patienten ist für eine Praxis nicht rentabel. Der Hausarzt, der die Sprechstunden führt, wird über die Einnahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung entgolten.» Der Kanton hilft mit 45 Franken pro Stunde, die für die MPA bestimmt sind.
«Es geht darum, den Flüchtlingen eine vollumfängliche hausärztliche Betreuung anzubieten» sagt Jörg Allmendinger. So haben die Flüchtlinge von Anfang an eine Ansprechperson. Hat beispielsweise jemand eine chronische Krankheit und gibt das im Fragebogen bei der Einreise an, kann der Hausarzt darauf eingehen. Bei allen Konsultationen ist eine Dolmetscherin anwesend, die von der Asylbetreuung finanziert wird.
Jörg Allmendinger freut sich über die gefundene Lösung: «Es ist spannend, konkret etwas bewegen zu können.» Der Deutsche, der 2002 in die Schweiz kam, ist seit Mai 2021 Kantonsarzt. Ein «unerwarteter Glücksfall», sagt der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. «Ich wollte mich gerade selbstständig machen, als ich auf das Inserat stiess.» Eine Planänderung, die er keineswegs bereut.