Auf den Punkt

Wie soll man Qualität messen?

News
Ausgabe
2023/17
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21771
Schweiz Ärzteztg. 2023;(17):8-9

Publiziert am 26.04.2023

Tagung Bei den 15. Zürcher Gesundheitstagen drehte sich alles um das Thema Qualität: Wer sie festlegt, wo Ressourcen verpuffen und wie die Qualitätsmessungen das Gesundheitswesen verändern werden.
Bestes Gesundheitswesen ergo höchste medizinische Qualität? Diese Annahme sei ein Kurzschluss, sagte Christian Schär, Präsident des Verbands der Zürcher Krankenhäuser, in seinem Vortrag an den 15. Zürcher Gesundheitstagen. Wie alle Referierenden stellte er sich an der Tagung vom 13. bis 14. April der Frage: «Alle sprechen von Qualität, aber meinen alle das Gleiche?» Eine der Erkenntnisse: Die Überschneidungen der Meinungen sind erstaunlich gross. Und doch sind wir noch weit vom Ziel eines Gesundheitswesens mit höchster Qualität entfernt.

Die Crux mit der Definition

So beim Einbezug der Patientinnen und Patienten. Susanne Gedamke, Geschäftsführerin der Schweizerischen Patientenorganisation, betonte, dass neben den PROMs (Patient Reported Outcome Measures) vermehrt auch zu PREMs (Patient Reported Experience Measures) geforscht werden sollte. Mit diesen wird erfasst, wie Patientinnen und Patienten eine Behandlung erlebt haben, beispielsweise in puncto Kommunikation. Doch als Erstes müsse danach gefragt werden, was Betroffene unter Qualität verstehen. Immer in dem Bewusstsein, dass die Betroffenen keine homogene Gruppe darstellen und Patientenbedürfnisse äusserst divers sind.
Auch Pius Zängerle, Direktor von curafutura, und Christoph Bosshard, Vizepräsident der FMH, griffen in ihren Referaten die Frage nach der Definition der Qualität auf. Sie waren sich einig, dass sie bei den Ärztinnen und Ärzten liegen sollte – dies in Abgrenzung zu staatlichen Vorgaben, die «top down» vorgeschrieben werden. Diese nähmen stetig zu und würden dazu führen, dass die Gestaltungsspielräume jedes Jahr enger würden, so Zängerle.

Qualität als Wettbewerbsfaktor

Teil dieser Vorgaben – unter anderem festgehalten im Bundesgesetz über die Krankenversicherung Artikel 58a – ist es, dass die medizinische Qualität schweizweit einheitlich gemessen und veröffentlicht werden soll. Und das für jeden einzelnen Leistungserbringer. Für Zängerle ist deshalb klar: «Qualität wird zu einem Wettbewerbsfaktor werden.» Die standardisierte Messung und Offenlegung der Indikations- und Outcomequalität werde zu einer Transparenz führen, die den Versicherten als Entscheidungsgrundlage dienen werde: Wo möchte ich meine Leistung beziehen? Und bei wem? Zudem gehe der Trend dahin, dass die Einzelperson und nicht die Institution als Leistungserbringer angesehen werde.
Auch Christian Schär sieht diese Entwicklung. Folgerichtig wäre laut ihm, dass bessere Qualität sich für die Leistungserbringer auszahlt – beispielsweise durch finanzielle Anreize. In den Fokus rückte er jedoch ein anderes Problem: Viele der vorgegebenen Qualitätsmessungen führen bisher nicht zu einer echten Verbesserung der Qualität. Jedoch zu Mehraufwand. Die Massnahmen müssten auf ein sinnvolles Minimum reduziert werden. Beispielsweise durch eine bessere Nutzung der bereits vorhandenen Routinedaten. Oder durch eine digitale Plattform, die es ermöglicht, die gesammelten Daten auf nationaler Ebene zusammenzutragen und auszuwerten.

Erstaunliche Einigkeit

Weniger ist mehr, darin waren sich alle Referierenden einig. Ebenso darin, dass eine höhere Qualität langfristig zu weniger Kosten führen werde. Doch der Weg dahin bleibt unklar. Nicolaas Sieds Klazinga, Leiter des «Health Care Quality and Outcome program» der OECD verwies auf Dänemark als mögliches Vorbild für die Schweiz. Doch noch besser sei es, sich Vorbilder für einzelne Qualitätsaspekte zu suchen. Denn jedes Land hat andere Stärken – und Schwächen. In der Schweiz sei der Föderalismus ein Problem, weil eine nationale Dateninfrastruktur fehle.
National, kantonal. Die Zürcher Gesundheitstage werden von der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich durchgeführt. Eingeladen wurde über die Kantonsgrenzen hinaus. Und das rege Interesse der Referierenden und der Teilnehmenden zeigte: Der Austausch ist da, nur die Lösungen noch nicht.
Die Qualität medizinischer Leistungen muss per Gesetz gemessen und ausgewertet werden.
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