Was die Liebe mit der Karriere zu tun hat

Was die Liebe mit der Karriere zu tun hat

Praxistipp
Ausgabe
2023/19
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21777
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(19):72-73

Publiziert am 10.05.2023

Karriere Die Liebe kann unter dem Beruf leiden, aber die Karriere kann auf der Grundlage einer gut eingespielten Partnerschaft auch profitieren. Wichtig ist, dass die Beziehung gehegt und gepflegt wird. Das kostet Zeit. Aber eine missglückte Beziehung kostet ebenfalls Zeit und Energie, schreibt unser Autor.
Die Karriere fängt mit der Partnerwahl an», sagte die neue Personalchefin von Siemens im Interview mit der NZZaS am 29.1.23. Sie selbst entschied sich für einen Partner, der die ganze Verantwortung für die Familie übernahm, und konnte so eine internationale Karriere machen. Gilt eine solche Aussage auch für die Partnerschaften von Ärztinnen und Ärzten in Bezug auf ihre Karrieremöglichkeiten?
Eine gelingende Partnerschaft passiert nicht von selbst. Wie ein brennendes Feuer sollte sie ein Leben lang umsichtig gepflegt und unterhalten werden. Gelingt die Langzeitbeziehung, so wird viel Energie für andere Dinge im Leben frei – natürlich auch für den Beruf und die Karriere. Für das Gelingen einer Partnerschaft gibt es keine konkreten, einfachen Rezepte, denn wie sich zwei verschiedene Individuen zusammen finden und entfalten, ist in jeder Beziehung anders. Gleichzeitig schafft schon die Partnerwahl wie eingangs zitiert klare Realitäten, die die weiteren Wahlmöglichkeiten weniger oder mehr einschränken: Wer vor allem im Homeoffice arbeitet, stellt weniger Anforderungen an die Wahl des Wohnortes und kann sich flexibler an den Arbeitsort des anderen anpassen. Bedingt der Beruf des einen Partners dagegen regelmässige Präsenzarbeit in einem grossen Zentrum, so wird die Wahl eines kleinen Spitals in den Bergen als Arbeitsort für den anderen herausfordernd, wenn man abends zusammen sein möchte. Möchte die eine für zwei Jahre zur Vertiefung des Fachwissens im Ausland arbeiten und die andere erhält dort keine Arbeitsbewilligung, so wird die Umsetzung herausfordernd. In solchen Konstellationen wird Verzichten unabdingbar und entscheidend ist es dabei langfristig, die Lösungen so zu gestalten, dass sie von beiden Beteiligten über einen längeren Zeitraum hinweg als fair erlebt werden. Es muss vermieden werden, dass es plötzlich von der einen Seite heisst: «Wegen dir muss ich immer…!»
© Luca Bartulović

Das Gleichgewicht wahren

Viele fokussieren zu Beginn der Karriere auf das berufliche Weiterkommen und stecken sehr viel Lebensenergie in ihren Beruf. Dies ist verständlich, aber birgt die Gefahr, dass andere Dinge zu kurz kommen und dadurch plötzlich die Partnerschaft in eine existenzielle Krise gerät. Die erfolgreiche Bewältigung einer solchen, grossen Krise beansprucht sehr viel Energie, die anderswo fehlt und kann damit auch das Weiterkommen im Beruf stark beeinträchtigen. Ist es bereits zu spät und ein Neuanfang erforderlich, so passiert auch das nicht von selbst. Die verschiedenen Stadien der Trennung müssen durchlebt werden. Man kann sich diese beschwerlichen Prozesse auch ersparen, abkürzen und Hals über Kopf in die nächste Partnerschaft eintauchen und in einem befreienden Kahlschlag mit einer sehr liebevollen Person neu starten. Dabei setzt man sich aber der grossen Gefahr aus, später wieder von den gleichen Themen und Mustern eingeholt zu werden, die zum Scheitern der ersten Partnerschaft geführt hatten. Das heisst, gelingende oder misslingende Partnerschaften fordern Zeit und Energie, die in unseren endlich langen Tagen auch ihren Platz finden sollten. Und in Bezug auf das berufliche Weiterkommen gilt, dass Partnerschaft und Karriere in einer engen Wechselbeziehung zueinanderstehen, die sich gegenseitig positiv verstärkend oder negativ behindernd auswirken können. Darum empfiehlt sich eine über die Zeit ausgeglichene Investition in beides, um das Gleichgewicht zu wahren.
Auch bezüglich der «Langzeitresultate» ist die Wechselwirkung von beruflicher Karriere und Partnerschaft sehr relevant. Nach der Berufsaufgabe wird die Partnerschaft mit ihrer ganzen Geschichte wieder stärker in den Vordergrund rücken. Brennt dann das «Beziehungsfeuer» noch mit einer guten Qualität, so bildet dies auch einen grossen Bonus für die Gesundheit im Alter. Eine lebendige Partnerschaft trägt viel zur Salutogenese von Seniorinnen und Senioren bei, indem eine liebevolle Partnerschaft im Alter ein längeres, gesundes Leben unterstützt.
Und der Einfluss von Kindern auf die Karriere? Das wird das Thema der nächsten Kolumne sein.
Dr. med. Jürg Unger
Viele bezeichneten Jürg Unger während seiner Berufstätigkeit als atypischen Psychiater. Dies vielleicht, weil sein Motto ist: «actions speak louder than words.» Hier schreibt er regelmässig über Karrierefragen.