«Direktberufungen müssen möglich sein»
Auf den Punkt

«Direktberufungen müssen möglich sein»

News
Ausgabe
2023/18
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21794
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(18):8-9

Publiziert am 03.05.2023

Karriere Dicke Luft in Zürich: Das Universitätsspital und die medizinische Fakultät haben Kaderstellen ohne öffentliche Ausschreibung besetzt. Darf man das? Henri Bounameaux, ehemaliger Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Genf, über die «extrem schwierige» Aufgabe, Chefärztinnen und Chefärzte zu wählen.
Henri Bounameaux, das Universitätsspital Zürich und die medizinische Fakultät der Universität Zürich stehen in der Kritik. Sie sollen mehrere Kaderstellen durch Direktberufungen besetzt haben. Ein absolutes No-Go?
Das Doppelmandat für eine Professur und Klinikleitung zu vergeben, ist eine extrem schwierige Aufgabe. Da gibt es nicht den einen richtigen Weg. Aus meiner Sicht müssen neben öffentlichen Ausschreibungen auch Direktberufungen möglich sein.
In welchen Fällen kann eine Direktberufung Sinn machen?
Wenn es intern eine geeignete Person gibt, die man befördern möchte. Es wäre entmutigend für den Nachwuchs, wenn man diese Möglichkeit ausschliessen würde. Zwischen der Assistenzarztzeit und einer möglichen Beförderung zur Chefärztin oder zum Chefarzt können gut 20 Jahre liegen. Wenn sich dann gezeigt hat, dass diese Person passt, sollte man sie direkt berufen können.
Direktberufung oder öffentliche Ausschreibung – wie werden Kaderstellen in der Medizin am besten besetzt?
© Radission US / Unsplash
Wäre es nicht fairer, auch diese Stellen öffentlich auszuschreiben?
Aus meiner Sicht kommt das einer Alibiübung gleich, wenn bereits feststeht, wer gewählt werden soll. Und es ist den externen Bewerberinnen und Bewerbern gegenüber nicht besonders ehrlich. Es ist wichtiger, dass die Wahl in guter Zusammenarbeit zwischen Spital und Fakultät getroffen wird. Und nicht im Alleingang der Klinikdirektion oder der Universität. So ist auch garantiert, dass am Schluss die Verantwortung für die Wahl geteilt ist.
Wie kann diese Zusammenarbeit sichergestellt werden?
In Genf, wo ich während acht Jahren Dekan der medizinischen Fakultät war, gibt es seit 2011 ein Reglement, in dem das Verfahren genau festgelegt ist. Doch das ist kantonal unterschiedlich. Die Bedingungen sind je nach Universität und je nach Spital anders. Als einzige allgemeine Regel sehe ich wie gesagt, dass es bei diesen wichtigen Wahlen eine gute Zusammenarbeit zwischen Universität und Spital braucht.
Weshalb sind diese Auswahlverfahren denn so schwierig?
Weil immer mehr unterschiedliche Qualitäten dafür benötigt werden. Erstens die fachliche Kompetenz. Kandidierende müssen Spezialistinnen und Spezialisten in ihrem medizinischen Fachgebiet sein. Zweitens müssen sie ihr Wissen in der Lehre vermitteln können. Drittens sollten sie selbst geforscht haben und in der Lage sein, andere in der Forschung anzuleiten. Viertens benötigen sie Führungsqualitäten. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, aber meistens schwer zu beurteilen, weil sie noch nie eine solche Position inne hatten. Und nicht zuletzt brauchen sie soziale Kompetenzen. Solche Personen sind nicht einfach zu finden. Deshalb kommt es schätzungsweise auch nur in etwa 50 Prozent der Fälle überhaupt vor, dass jemand intern befördert wird. In den restlichen Fällen braucht es eine öffentliche Ausschreibung.
Und solche öffentlichen Ausschreibungen garantieren eine gute Wahl?
Nein. Auch nach öffentlichen Ausschreibungen können sich Probleme einstellen und kann es zu Entlassungen kommen. Das weiss man in Zürich und das weiss man auch sonst überall. Schliesslich kennt man von externen Kandidatinnen und Kandidaten nur die positiven Aspekte, weil sie über die negativen im Bewerbungsprozess nicht sprechen und diese schwer von aussen zu eruieren sind. Deshalb muss man sehr vorsichtig sein. Der Schlüssel liegt wirklich im Einvernehmen von Universität und Spital. Denn eines ist sicher: Gibt es Konflikte zwischen den beiden Institutionen, kann es nur zu schlechten Wahlen kommen.
Prof. Dr. med. Henri Bounameaux
Präsident der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW), ehemaliger Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Genf