Die Therapie des Prostatakarzinoms verändert sich

Schwerpunkt
Ausgabe
2023/22
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21812
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(22):76-77

Publiziert am 31.05.2023

Therapieoptionen Zum Jahrestreffen der Amerikanischen Gesellschaft für Klinische Onkologie der Urogenitalen Krebserkrankungen in San Francisco fand die Behandlungsabfolge beim metastasierten Prostatakarzinom besondere Aufmerksamkeit.
Frau Prof. Silke Gillessen, Leiterin des Onkologischen Instituts der italienischen Schweiz (IOSI) in Bellinzona, gab einen eindrücklichen Überblick über die Entwicklungen der letzten zehn Jahre in der Behandlung des Prostatakarzinoms [1]. Für die Therapie des Prostatakarzinoms gibt es inzwischen zahlreiche Therapien und viele Leitlinien. Diese Krebsart ist bei den Männern die häufigste: Allein in der Schweiz werden jährlich über 7 000 neue Prostatakarzinom-Fälle diagnostiziert [2]. Heutige Therapieentscheidungen im Bereich des metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (mCRPC) hängen stark davon ab, wie Patienten in einem früheren Krankheitsstadium behandelt wurden. Im metastasierten, hormonsensitiven Prostatakarzinom (mHSPC) kommt eine Androgenentzugstherapie (ADT) zum Einsatz. Hierbei wird durch Medikamente oder durch eine Operation der Spiegel der männlichen Androgene herabgesetzt. Gerade diese Hormonentzugstherapie hat sich rasant weiterentwickelt und heute stehen Patienten verschiedene Kombinationen als Optionen zur Verfügung: ADT in Kombination mit Docetaxel, ADT in Kombination mit Androgenrezeptor-Signalweg-Inhibitoren (ARPI) und schliesslich die Triplettkombination aus ADT mit Docetaxel und ARPI. Wenn die Hormontherapie das Fortschreiten der Erkrankung nicht mehr aufhalten kann, stellt sich die Frage, wie das mCRPC in der Erstlinie, basierend auf der Vorbehandlung, einzuschätzen ist.
Illustrierte Abbildung von Prostatakrebs.
© AstraZeneca

Neuer Ansatz: Kombination von Inhibitoren

Als gesichert gilt in diesem Stadium die Therapie mit Abirateron oder Enzalutamid [1]. Eine Kombination mit PARP-Inhibitoren wäre eine Möglichkeit, doch ergibt sich dadurch ein zusätzlicher Nutzen? Prof. Noel Clarke vom Salford Royal Hospital NHS Foundation Trust in Manchester stellte sich in seiner Präsentation dieser Frage [3] und richtete seinen Blick zunächst auf die aktuellen Krankheitsverläufe. Das mediane Gesamtüberleben von mCRPC-Patienten unter Standardtherapie mit Abirateron plus Prednison oder Enzalutamid ist weiterhin schlecht und liegt bei lediglich drei Jahren [7, 8]. Eine Verbesserung durch neue Therapieansätze ist somit dringend erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist ein zielgerichteter Angriff auf einen Reparaturmechanismus in den Prostatatumoren wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Schon länger ist bekannt, dass eine definierte Gruppe von Männern mit mCRPC – ca. 20 bis 30% - gut auf PARP-Inhibitoren anspricht. In dieser Gruppe liegen Mutationen in den Homolougus Recombination Repair (HRR)-Genen (einschliesslich BRCA1/2-Mutationen) vor, so dass eine Reparatur von DNS-Schäden stark eingeschränkt ist. Krebszellen kompensieren diesen Verlust, in dem sie sich vollständig auf Reparaturen durch die Poly(ADP-Ribose)-Polymerase (PARP) verlassen. Wird nun dieser Reserve-Reparaturmechanismus zielgerichtet durch PARP-Inhibitoren gehemmt, geht die Tumorzelle zugrunde. Der klinische Nutzen wurde damals durch die PROfound-Studie belegt und zeigte, dass im spezifischen Patientensegment mit BRCA1/2- und ATM-Mutationen (Cohort A) PARP-Inhibitoren das Überleben beim späten Prostatakarzinom verlängern [4].
Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass ein kombinierter Effekt von ARPI und PARP-Inhibitoren zu erwarten ist und zu einem robusten klinischen Nutzen führen könnte [5]. Denn der Androgenrezeptor ist ebenfalls in die Reparatur von DNS-Schäden involviert und die gleichzeitige Hemmung durch ARPI und PARP-Inhibitoren führt zu einer erhöhten Akkumulation von Doppelstrangbrüchen in der DNS, die nicht mehr repariert werden können, was in einem Absterben von Tumorzellen resultiert. Im Gegensatz zur vorgängig erwähnten PROfound-Studie ist dieser Kombinationseffekt nicht auf Prostatakarzinome mit BRCA-Mutationen beschränkt und Experten rätselten, weshalb auch Männer mit intakten BRCA-Genen von der Kombinationstherapie profitierten. Ein Erklärungsansatz war, dass ein ARPI wie Abirateron durch Unterdrückung von DNS-Reparaturen einen BRCA-mutationsartigen Zustand herbeiführen könne: eine sogenannte BRCAness [5]. Der zusätzliche Einsatz von Olaparib würde in der Folge diesen Zustand ausnutzen und Reservereparaturen durch PARP verhindern. Das Konzept der synthetischen Letalität erschien also denkbar, der Beweis jedoch musste erst noch erbracht werden.

PROpel-Studie: vielversprechende Ergebnisse

In der Sitzung «Das fortgeschrittene Prostatakarzinom: Neue Ziele, neue Therapeutika, neue Siege?» präsentierte Prof. Noel Clarke schliesslich die PROpel-Studie [3] und den mit Spannung erwarteten dritten Datenschnitt zum Gesamtüberleben als sekundären Endpunkt [6]. Anhand der gezeigten Kaplan-Meier-Kurven wurde klar, dass die Kombination aus Abirateron und Olaparib im mCRPC zu einer signifikanten Verlängerung des radiographisch progressionsfreien Überlebens mit einem Harzard-Verhältnis von 0.66 (95% CI, 0.49 to 0.74) und einer Gesamtverlängerung von 8.2 Monaten führt. Das mediane Gesamtüberleben liegt mit der Kombinationstherapie bei 42.1 Monaten und ist somit im Vergleich zu Abirateron um 7.4 Monate länger. Wie erwartet profitieren ganz besonders Patienten, bei denen eine Genmutation in den DNS-Reparaturgenen vorliegt. In der Gesamtpopulation ergibt sich jedoch ein Hazard-Verhältnis von 0.81 (95% CI, 0.67 to 1.00), das heisst, die Kombinationstherapie wirkt vielfach auch bei Männern, bei denen eine solche Genveränderung nicht vorliegt. Auch war die Lebensqualität unter der Kombinationstherapie nicht vermindert im Vergleich zu einer Abirateron-Monotherapie [9].
Abschliessend lässt sich also festhalten: Die Ergebnisse der PROpel-Studie mit einer Verlängerung des Gesamtüberlebens um mehr als 7 Monate stellt gegenüber der Standardtherapie einen beträchtlichen Nutzen in der Erstlinientherapie des mCRPC dar. In der Gesamtschau mit einem gut charakterisierten Nebenwirkungsprofil ergibt sich mit der Kombination aus Abirateron und Olaparib eine wichtige und neue Therapieoption für Männer mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom.
Dr. Martin H. Hager, MBA
Medical Affairs Head Oncology bei AstraZeneca Schweiz.
Dieser Beitrag wurde von AstraZeneca AG zur Verfügung gestellt und zeigt die Sicht des Unternehmens. Die Schweizerische Ärztezeitung und das Swiss Medical Forum übernehmen für den Inhalt keine Verantwortung.
1 Gillessen S. How to Best Use Current Drugs: Treatment Sequencing and Combinations for Metastatic Castration-Resistant Prostate Cancer. ASCO GU 2023. https://meetings.asco.org/2023-asco-gu-cancers-symposium/15150?presentation=215153#215153 (abgerufen am 26.04.2023).
2 Bundesamt für Statistik, Nationale Krebsregistrierungsstelle (2022) Krebs in der Schweiz 2015-2019. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/krankheiten/krebs/spezifische.assetdetail.23566715.html (abgerufen am 26.04.2023).
3 Clarke NW, et al. Abiraterone and Olaparib for Metastatic Castration-Resistant Prostate Cancer. NEJM Evid. 2022;1(9).
4 Hussain M, et al. Survival with Olaparib in Metastatic Castration-Resistant Prostate Cancer. N Engl J Med. 2020;383:2345-2357.
5 Antonarakis ES. Abiraterone plus olaparib in prostate cancer: a new form of synthetic lethality? Lancet Oncol. 2018;19,7:860-861.
6 Clarke NW, et al. Final overall survival (OS) in PROpel: abiraterone (abi) and olaparib (ola) versus abiraterone and placebo (pbo) as first-line (1L) therapy for metastatic castration-resistant prostate cancer (mCRPC). J Clin Oncol. 2023;41(suppl 6; abstr LBA16).
7 Beer TM, et al. Enzalutamide in Men with Chemotherapy-naive Metastatic Castration-resistant Prostate Cancer: Extended Analysis of the Phase 3 PREVAIL Study. Eur Urol. 2017;71(2):151-154.
8 Ryan CJ, et al. Abiraterone acetate plus prednisone versus placebo plus prednisone in chemotherapy-naive men with metastatic castration-resistant prostate cancer (COU-AA-302): final overall survival analysis of a randomised, double-blind, placebo-controlled phase 3 study. Lancet Oncol. 2015;16(2):152-60.
9 Saad F, et al. Patient-reported outcomes with olaparib plus abiraterone versus placebo plus abiraterone for metastatic castration-resistant prostate cancer: a randomised, double-blind, phase 2 trial. Lancet Oncol. 2022;23:1297–1307.»