Praxistipp

Kommunikation will gelernt sein

DOI: https://doi.org/10.4414/saez.2023.22136
Veröffentlichung: 13.09.2023
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(37):80-81

Wolf Langewitz

Arzt-Patienten-Kommunikation Das Erlernen und Üben von professioneller Kommunikation wird von Weiterbildungsverantwortlichen an vielen Spitälern gewünscht. Jedoch mangelt es an kompetenten Dozierenden, die Motivation der Mitarbeitenden ist nicht immer gegeben. Unser Autor Wolf Langewitz beschreibt in seiner Kolumne, wie es anders gehen kann.

Die Bedeutung professioneller Kommunikation wird in vielen offiziösen Stellungnahmen und in Umfragen hoch eingeschätzt – trotzdem ist es schwierig, Kolleginnen und Kollegen zur Teilnahme an entsprechenden Schulungen zu motivieren. Das hat verschiedene Gründe, die entweder praktisch oder inhaltlich bedingt sind. Praktisch steht der Dissemination von Schulungen in professioneller Kommunikation im Spital-Setting ein eklatanter Mangel an kompetenten Dozierenden entgegen. Dies gilt besonders für Spitäler in der Peripherie und für die Dissemination in den Praxen. Dieser Mangel lässt sich in nützlicher Frist nicht beheben, sondern erfordert den Einsatz von Internet-basierten Lernformen.

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© Luca Bartulović

Inhaltlich haben jüngere Kolleginnen oft Mühe, eine ihnen gemässe Balance zu finden zwischen der Übernahme einer Gesprächs-«führung» und der Übergabe der Initiative an Patientinnen und Patienten. Beides bedarf einer sicheren Identität – einer inneren Haltung – als Ärztin oder Arzt, die wir uns im Laufe unserer Berufserfahrung erarbeiten müssen.

Wer traut sich zu kritisieren?

Das Problem sieht bei erfahrenen Kollegen ganz anders aus: Ihnen ist nicht immer klar, warum sie überhaupt in ein Seminar zur professionellen Gesprächsführung gehen sollten. Das ist nicht unbedingt Ausdruck von Ignoranz und Arroganz, sondern schlicht darauf zurückzuführen, dass wir äusserst selten direkt von Patientinnen und Patienten auf mangelnde Kommunikationsfähigkeiten hingewiesen werden. Zum einen ist das eine Frage der Macht: Wer traut sich schon, eine Person zu kritisieren, von der man etwas will? Und es ist eine Frage der Kompetenz: Woher soll eine Patientin oder ein Patient wissen, dass man auch anders mit ihm kommunizieren könnte oder dass z. B. eine andere Art der Informationsvermittlung möglich wäre? Zusammengenommen führen diese Faktoren dazu, dass Patientinnen und Patienten schlecht sind im Geben von kritischem Feedback. Ich habe noch nie eine Patientin oder einen Patienten erlebt, die in einem Aufklärungsgespräch die Hände verwerfen und mich unterbrechen mit den Worten: «Stop! Das wird mir zu viel!» Gute Gründe, mich zu bremsen, hätten wahrscheinlich viele (gehabt); ich weiss zu viel und ich erzähle so gerne …

Bei technischen Prozeduren ist das Lernen in der Praxis (learning by doing) viel einfacher: Wenn ich bei der Punktion das Gefäss verfehle, weiss ich unmittelbar, dass ich etwas an meinem Vorgehen ändern sollte – der Misserfolg stimuliert das Lernen. Wenn es keinen offenkundigen Misserfolg gibt, fällt der wichtigste Grund zum Lernen weg.

Die Bedürfnisse berücksichtigen

Vielleicht müssen wir als Anbieter von Schulungen in Kommunikation auch darüber nachdenken, ob das typische Schulungsformat den Bedürfnissen der Teilnehmenden entspricht und ob es zu einer merkbaren Veränderung in der Praxis führt. Den ersten Punkt versuchen wir in unseren Seminaren dadurch aufzugreifen, dass wir mit den Problemfällen der Seminarteilnehmer arbeiten und nicht mit vorgegebenen Themen[1]. Den zweiten Punkt greifen Interventionen auf, die Seminare mit der Möglichkeit kombinieren, sich zur Anwendung in der Praxis ein professionelles Feedback zu holen [2][3]. Da eine flächendeckende 1:1 Supervision in der Praxis illusorisch ist, haben wir ein Programm entwickelt, in dem Kollegen zu einem ihnen genehmen Zeitpunkt ein Gespräch mit einem typischen Problempatienten buchen können, der von einem speziell trainierten Mitarbeiter dargestellt wird. Nach dem Gespräch erhalten die Kollegen ein strukturiertes Feedback, das mit den entsprechenden Video-Sequenzen aus dem Interview unterlegt wird (SoCoCo®). Dieses Programm wird in Basel seit mehreren Jahren in der Lehre und von der FMH im Rahmen von PEPra eingesetzt.

Wolf Langewitz

ist Professor emeritus für Psychosomatik am Universitätsspital Basel und schreibt an dieser Stelle regelmässig über Arzt-Patienten-Kommunikation.

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Literatur

1 Scheel-Sailer A, Eich S, Jelmoni L, Lampart P, Schwitter M, Sigrist-Nix D, Langewitz W. Effect of an interprofessional small-group communication skills training incorporating critical incident approaches in an acute care and rehabilitation clinic specialized for spinal cord injury and disorder. Front Rehabil Sci. 2022 Jul 28;3:883138. doi: 10.3389/fresc.2022.883138. PMID: 36188965; PMCID: PMC9397787.

2 Fu SS, Roth C, Battaglia CT, Nelson DB, Farmer MM, Do T, Goldstein MG, Widome R, Hagedorn H, Zillich AJ. Training primary care clinicians in motivational interviewing: a comparison of two models. Patient Educ Couns. 2015 Jan;98(1):61–8. doi: 10.1016/j.pec.2014.10.007. Epub 2014 Oct 17. PMID: 25455795.

3 Løchting I, Hagen R, Monsen CK, Grotle M, Storheim K, Aanesen F, Øiestad BE, Eik H, Bagøien G. Fidelity of a Motivational Interviewing Intervention for Improving Return to Work for People with Musculoskeletal Disorders. Int J Environ Res Public Health. 2021 Sep 30;18(19):10324. doi: 10.3390/ijerph181910324. PMID: 34639624; PMCID: PMC8507704.

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