News
Auf den Punkt
Das Angstorgan der Männer im Visier
Vorsorgen Im Jahr 2005 wurde von europäischen Urologen- und Patientenverbänden der 15. September zum Prostata-Tag erklärt. Dieser Tag dient dazu, regelmässig Aufklärung über Männergesundheit zu betreiben und Männer über Prostataerkrankungen zu informieren.
Die Prostata ist nicht selten ein «Angstorgan» für Männer. Hintergrund hierfür ist unter anderem die Flut an widersprüchlichen Informationen im Internet. Dies mag auch einer der Gründe sein, warum viele Männer erst zu einer urologischen Untersuchung erscheinen, wenn es beim Wasserlösen Schwierigkeiten gibt. Unsicherheit besteht insbesondere in Bezug auf die Kosten und den Nutzen der Prostatakrebsfrüherkennung. Umso wichtiger ist es, dass «Mann» in einem Beratungsgespräch transparent und offen über die verschiedenen Diagnose- und Behandlungsoptionen informiert wird.


© Panuwat Dangsungnoen / Dreamstime
Da ist einmal der PSA-Wert. Die weltgrösste Studie «European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer – ERSPC» – auch mit Beteiligung in der Schweiz –zeigte, dass der Gebrauch von PSA die Mortalitätsrate um 20 bis 30% senken kann [1], allerdings mit Überdiagnosen verbunden ist. Aus der Aarauer Kohorte wissen wir, dass rund 50% der Männer, die im Alter zwischen 50 und 75 Jahren erstmalig zu einem PSA-Test eingeladen wurden, einen PSA-Wert zwischen 0 und 1 zeigten; 30% der Männer hatten einen Wert zwischen 1 und 2 und 12% zwischen 2 und 3. Nur ein kleiner Teil, nämlich 8%, hatte einen PSA > 3 ng/ml [2]. Vergleicht man Daten aus Aarau, Göteborg und Rotterdam, so wäre ein Wert bis 2 ng/ml normal [2, 3, 4]. «Es gibt aber eine Grauzone im Bereich eines PSA-Werts von 2 bis 10,» sagt PD Dr. med. Marco Randazzo, Facharzt für Urologie an der Hirslanden Klinik Aarau, «In diesen Fällen setzen wir weitere Tools zur Risikoeinschätzung und Diagnose ein.»
Das kann einerseits eine digitale rektale Untersuchung (DRU) sein, mit der Einschränkung, dass man da nur die Rückfläche der Prostata abtasten kann, oder auch – seit rund drei Jahren – der Stockholm-3-Test. Dieser Test ermittelt über genetische Marker, serologische Parameter und klinische Befunde einen Risiko-Score, der das weitere Vorgehen definiert. «Die Studien aus Schweden haben gezeigt, dass der Test dazu führt, dass 30 bis 40% weniger MRIs und 8 bis 10% weniger Biopsien notwendig sind, ohne dass dabei die Diagnose von schweren Krebserkrankungen beeinträchtigt wäre», erläutert Randazzo [6. 7].
Darüber hinaus haben sich die bildgebenden Verfahren und die Biopsietechniken verbessert. «Heute setzen wir das MRI in Kombination mit Ultraschall ein, um signifikante Tumore besser zu detektieren,» sagt Randazzo. MRI und Ultraschall werden fusioniert und überlagert. Diese Biopsietechnik ist viel genauer und der Eingriff weniger belastend.
Sollte die Diagnose danach «therapiebedürftiger Prostatakrebs» lauten, haben sich auch die Behandlungsmethoden verbessert. Mittels neuster Robotik kann der Tumor mit weniger Blutverlust und weniger Schmerzen entfernt werden. «Die Operation ist nicht trivial, liegt das Organ doch im kleinen Becken, eingebettet im Beckenboden, nahe dem Schliessmuskel, und kann somit die Erektion und Kontinenz beeinflussen», meint Randazzo. «Da hilft es uns, dass wir feinere Instrumente einsetzen, den Operationsbereich bis zu 10-fach vergrössern können und dazu eine 3D-Ansicht des Organs haben.» Darüber hinaus können Urologinnen und Urologen einen hochintensiven, fokussierten Ultraschall einsetzen, um den Tumor schonend zu zerstören, ohne das umliegende Gewebe zu stark zu beeinträchtigen. Diese HIFU-Therapie bietet sich vor allem bei lokal begrenztem Prostatakrebs von geringer bis mittlerer Aggressivität an.
Und schliesslich gibt es noch die Brachytherapie. «Diese Therapie ist etwas in Vergessenheit geraten, obwohl sie gute Resultate zeigt,» kommentiert Randazzo. Bei dieser lokalen Strahlentherapie werden kleine radioaktive «Seeds» – kleine Jod-125-haltige Kügelchen – in die Prostata implantiert. In der Folge werden die Prostatakrebszellen durch die Strahlung, die von den Seeds ausgeht, lokal abgetötet. «Wir haben so eine nebenwirkungsarme und effektive lokale Strahlentherapie,» sagt Randazzo.
Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung des Mannes und die zweithäufigste Krebstodesursache. Früh erkannt, ist das Prostatakarzinom aber gut heilbar. Und: nicht jeder Krebs benötigt eine Therapie. Sich gut zu informieren und regelmässig eine Vorsorgeuntersuchung zu machen, ist sicher der erste Schritt. Dieses Bewusstsein will der Europäische Prostata-Tag am 15. September fördern.
Literatur
1 Hugosson J et al. (2019) A 16-yr Follow-up of the European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer. Eur Urol. 2019 Jul;76(1):43-51
2 Randazzo M et al (2014) A „PSA pyramid“ for men with initial prostate-specific antigen ≤3ng/ml: a plea for individualized prostate cancer screening. EurUrol. https://doi.org/10.1016/j.eururo.2014. 04.005
3 Franlund M et al (2018) Prostate cancer risk assessment in men with an initial P.S.A. below 3ng/mL: results from the Goteborg randomized population-based prostate cancer screening trial. ScandJUrol52(4):256–262
4 Bul M et al (2011) Prostate cancer incidence and disease-specific survival of men with initial prostate-specific antigen less than 3.0ng/ml who are participating in ERSPC Rotterdam. EurUrol 59(4):498–505
5 Grönberg H et al. (2015) Prostate cancer screening in men aged 50-69 years (STHLM3): a prospective population-based diagnostic study. Lancet Oncol. 2015 Dec;16(16):1667-76
6 Nordström T et al. (2021) Prostate cancer screening using a combination of risk-prediction, MRI, and targeted prostate biopsies (STHLM3-MRI): a prospective, population-based, randomised, open-label, non-inferiority trial. Lancet Oncol. 2021 Sep;22(9):1240-1249
Copyright
Published under the copyright license
“Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”.
No commercial reuse without permission.
See: emh.ch/en/emh/rights-and-licences/