access_time veröffentlicht 31.03.2022
Nach zwei Jahren Corona-Politik: Zeit für eine kantonale und überkantonale Corona-Strategie
Dr. med. Rudolf Hauri, Kantonsarzt, Amtsleiter Amt für Gesundheit Zug, Präsident Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte der Schweiz

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Nach zwei Jahren Corona-Politik: Zeit für eine kantonale und überkantonale Corona-Strategie
31.03.2022
Am 31. März 2022 endet in der Schweiz die besondere Lage gemäss Epidemiengesetz. Damit wird sich die Gesundheitspolitik wieder auf ihre Regelstrukturen abstützen und sich statt nur auf die Kapazität der Intensivpflegestationen wieder auf umfassendere Ziele ausrichten können. Ein Perspektivenwechsel wird möglich, weg vom Krisenmodus und hin zu den Chancen einer umfassenden Gesundheitspolitik.
Die vollständige Version dieses Artikels wird am 6. April in der SÄZ Nr. 14 erscheinen.
Die Corona-Pandemie begann in der Schweiz mit dem ersten gemeldeten Fall am 24. Februar 2020. Zunächst wurde versucht, das Virus gar nicht erst Fuss fassen zu lassen («Suppression»). Der Beginn der Infektiosität schon während der präsymptomatischen Phase ebenso wie der grosse Anteil von asymptomatischen und dennoch ansteckenden Infizierten liessen diesen Ansatz aber scheitern. Die darauf ergriffenen drastischen Massnahmen führten zu einem raschen Rückgang der Fallzahlen. Der Ansatz zur Eindämmung der Fallzahlen («Containment») war im Sommer 2020 zunächst erfolgreich. Im Rahmen der deutlich schwerwiegenderen zweiten Welle ab Oktober sowie der unmittelbar folgenden weiteren Wellen erfolgt der Wechsel zur Verlangsamung der Ausbreitung («Mitigation»), wie sie im 3-Phasenmodell des Bundesrats vom 12. Mai 2021 erstmals ausformuliert wurde. Inzwischen hat sich die öffentliche und politische Diskussion fast vollständig auf das Ziel fokussiert, den Kollaps des Gesundheitswesens und besonders der Intensivpflegestationen zu verhindern.
Mit der aktuellen Entwicklung scheint diese Gefahr nun abgewandt zu sein. Durch den Wechsel zurück zur normalen Lage verschieben sich die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen wieder, Tabelle 1 gibt einen Überblick über die entsprechende Aufgabenverteilung gemäss Epidemiengesetz.
Nach einer Transitionsphase werden die Akteure des Gesundheitswesens wieder ihre Rolle gemäss normaler epidemiologischer Lage wahrnehmen, und auch die Corona-Politik geht in die Verantwortung der kantonalen Gesundheitsdirektionen über. Damit ergibt sich die Chance, dass nach der Systemerhaltung wieder Aspekte wie das Vorsorgeprinzip, die Lebensqualität und die Gesundheitsversorgung aller Erkrankten oder die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen in die Diskussion gebracht werden. Die Strukturen für die Ausbruchsbekämpfung und das Impfen können den neuen Bedürfnissen angepasst werden, Vorschriften wieder durch Verhaltensempfehlungen ersetzt werden, neue soziale Normen sich herausbilden, innovative Ansätze ausgetestet werden, und die Angebote in der Gesundheitsversorgung können bedarfsgerecht weiterentwickelt werden.
Die zukünftigen Massnahmen sollen sich dabei auf die Ziele ausrichten, wie sie nun für kantonale Corona-Strategien und auch für die überkantonale Zusammenarbeit definiert werden können. Wie bei anderen Krankheiten können sich diese Ziele auf eine Minimierung der Anzahl der Erkrankungen und der Erkrankungsfolgen sowie auf eine nachhaltige Entwicklung des Gesundheitswesens und anderer gesellschaftlicher Bereiche hin orientieren. Zu letzteren gehören beispielsweise Bildung, Arbeit, Freizeit und Kultur, Reisen und Tourismus. Nicht zuletzt müssen aber auch auf kantonaler und lokaler Ebene die Erfahrungen der letzten zwei Jahre ausgewertet und für die Vorbereitung auf nächste pandemische Bedrohungen genutzt werden.
Der vollständige Artikel, der am 6. April 2022 in der Schweizerischen Ärztezeitung erscheinen wird, illustriert dieses Erfahrungen, schlägt mögliche Ziele einer zukünftigen kantonalen und überkantonalen Corona-Strategie vor und skizziert ein Vorgehen zu deren Erarbeitung.
Tabelle 1

Aufgabenverteilung im Infektionsschutz sowie bei relevanten übergeordneten Aufgaben zwischen Bund und Kantonen. Die Rückkehr zur normalen Lage gemäss Epidemiengesetz eröffnet neue Gestaltungsmöglichkeiten für die Kantone.
Zu den Autoren:
Rudolf Hauri, Dr. med., Kantonsarzt, Amtsleiter Amt für Gesundheit Zug, Präsident Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte der Schweiz VKS-AMCS; Martin Pfister, Landammann und Gesundheitsdirektor des Kantons Zug; Yvonne Gilli, Dr. med., Präsidentin der Schweizerischen Ärztegesellschaft FMH, Bern; Dunja Nicca, Dr. sc. med., Pflegewissenschaftlerin, Corona-Zentrum, Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich; Andrée Friedl, Dr. med., Leitende Ärztin Infektiologie/Spitalhygiene, Kantonsspital Baden; Simon Fuchs, Dr. med., MPH, Kantonsarzt, Kanton Basel-Stadt, Basel; Samuel Erny, Dipl. Arzt., MPH, Kantonsarzt, Kanton Basel-Landschaft, Liestal; Thomas Plattner, Dr. med., MPH, Kantonsarzt, Kanton Freiburg, Freiburg; Eva Martin-Diener, MSc, MPH, Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich; Brian Martin, PD Dr. med., MPH, Militärärztlicher Dienst, Schweizer Armee, Bern; Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich

Dr. med. Rudolf Hauri
Kantonsarzt, Amtsleiter Amt für Gesundheit Zug, Präsident Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte der Schweiz
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