Schweizerisches Tropen- und Public Health-Insitut (Swiss TPH)

Briefe / Mitteilungen
Ausgabe
2017/2829
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.05815
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(2829):903–904

Publiziert am 12.07.2017

Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut

Seit 2014 untersucht ein interdisziplinäres schweizerisches Studienkonsortium im Rahmen der SiRENE-Studie des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) die Kurz- und Langzeitwirkungen der Verkehrslärmbelastung für die Bevölkerung in der Schweiz in umfassender Weise.
Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Die bisher veröffentlichten Resultate der Studie zeigen: Der Flug-, Schienen- und Strassenverkehrslärm in der Schweiz kann unerwünschte Gesundheitsauswirkungen zur Folge haben. Für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist der Zusammenhang am stärksten beim Strassenlärm erkennbar. Das Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben, steigt um 4 Prozent pro 10 Dezibel Zunahme der Strassenlärmbelastung am Wohnort. Aber auch das Risiko für Bluthochdruck und Herzinsuffizienz steigt durch den Verkehrs­lärm. «Besonders kritisch sind wahrscheinlich Lärmereignisse in der Nacht, die regel­mässig den Schlaf stören», sagt Martin Röösli, Leiter der SiRENE-Studie und Professor für Umweltepidemiologie am Swiss TPH und an der Universität Basel. «Bereits tiefere Lärmbelastungen als bisher angenommen haben negative Auswirkungen auf die Gesundheit.»
Lärm begünstigt auch Diabetes
Neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht der Verkehrslärm auch das Risiko, an Diabetes zu erkranken. Das zeigt eine Untersuchung bei 2631 Personen, die unterschiedlich stark lärmbelastet sind. «Dabei spielen zwei Mechanismen eine Rolle», erklärt Nicole Probst-Hensch, Leiterin des Departements Epidemiologie und Public Health am Swiss TPH. «Einerseits beeinflusst die chronische Ausschüttung von Stresshormonen den Insulinstoffwechsel. Andererseits ist bekannt, dass Schlafprobleme langfristig den Metabolismus negativ beeinflussen.»
Lärmschutz effizienter gestalten
Die bisher veröffentlichten und weitere Resultate der SiRENE-Studie werden wichtige Informationen für die Behörden im Hinblick auf einen effizienteren Lärmschutz und eine allfällige Anpassung der Grenzwerte für Lärm in der Lärmschutzverordnung (LSV) liefern. Auf die ganze Bevölkerung in der Schweiz bezogen, sind die Gesundheitsauswirkungen von Verkehrslärm substantiell, sie verursachen jedes Jahr externe Kosten von geschätzten 1,8 Milliarden Schweizer Franken. Für den einzelnen Menschen seien jedoch Faktoren wie Bewegung und Rauchen deutlich wichtiger, so Röösli.
SiRENE – ein integrierter Forschungsansatz
SiRENE (Short and Long Term Effects of Transportation Noise Exposure) ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, das Versuche im Schlaflabor mit epidemiologischer Forschung, Befragungsdaten und akustischen Berechnungen und Modellierungen kombiniert. In der Studie werden insgesamt vier Aspekte der Verkehrslärm­wirkung untersucht:
1) Repräsentative Umfrage in der Schweizer Bevölkerung zu Lärmbelästigungen, selbstberichteten Schlafstörungen und zum Umgang mit Lärmbelastungen
2) Experimentelle Studie im Schlaflabor zu lärminduzierten Schlafstörungen, Tages­müdigkeit und Glukosehaushalt
3) Schweizweite Modellierung des Flug-, Schienen- und Strassenverkehrslärms
4) Ermittlung von lärminduzierten Gesundheitsrisiken anhand der Schweizerischen Nationalen Kohortenstudie und der SAPALDIA­-Studie (Swiss Cohort Study on Air Pollution and Lung and Heart Diseases in Adults)
SiRENE wird im Rahmen des Sinergia-Programms vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) finanziert und von einem Konsortium von Forschenden des Swiss TPH, der Empa, der n-Sphere AG, dem Zentrum für Chronobiologie der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK) sowie dem BAFU durchgeführt. Die Studienleitung hat das Swiss TPH. Weitere Resultate der Studie werden in diesem und im nächsten Jahr erwartet.