Erfreulich hoch eingeschätzt:

Erfreulich hoch eingeschätzt: Der Stellenwert der Weiterbildung an den Spitälern

FMH
Ausgabe
2017/48
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.06064
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(48):1600–1602

Affiliations
a Dr. sc., Senior Researcher; b Lic. phil., wissenschaftliche Mitarbeiterin; c Prof. Dr. phil., Professor für Consumer Behavior an der ETH Zürich;
d Dr. med., Präsident SIWF

Publiziert am 29.11.2017

Einleitung

Um eine qualitativ hochstehende Weiterbildung gewährleisten zu können, ist das Engagement der Weiterbildner unerlässlich. Es mehren sich jedoch heute kritische Stimmen, die zu bedenken geben, dass die Weiterbildung klinikintern ihre zentrale Bedeutung einzubüssen droht und dass Kaderärzte für ihren Einsatz in der Weiterbildung vielerorts zu wenig Unterstützung und Anerkennung erfahren. Zunehmend fehle es auch an Anstrengungen zum Beispiel vonseiten der Spitaldirektion, um die für eine qualitativ hochstehende Weiterbildung erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Es steht somit die Befürchtung im Raum, dass der Weiterbildung nicht mehr der notwendige Stellenwert eingeräumt wird und dass dadurch ihre Qualität unweigerlich zu leiden beginnt.
Um eine hochwertige, effiziente Weiterbildung zu garantieren, müssen Leiterinnen und Leiter von Weiterbildungsstätten nebst dem notwendigen Engagement auch die für die Ausübung der verschiedenen Funktionen eines Weiterbildungsstättenleiters erforderlichen Kompetenzen mitbringen. Diese umfassen nicht nur die fachspezifische Qualifikation, sondern auch didaktische Fähigkeiten und Kompetenzen im Bereich Führung und Management. Eine optimale Vorbereitung auf die Rolle als Weiterbildungsstättenleiter und die damit verbundenen Funktionen ermöglicht die reibungslose Übernahme der Leitung einer Weiterbildungsstätte und bildet die Grundlage für eine von Beginn an qualitativ hochstehende Weiterbildung. Daher ist es von Interesse, allfällige Defizite in den für die Ausübung der Tätigkeit als Weiterbildungsstättenleiter erforderlichen Kompetenzen zu identifizieren, um sie anschliessend mittels entsprechender Ausbildungsangebote gezielt angehen zu können.
Zur Erfassung des Stellenwerts der Weiterbildung und zur Identifikation von allfälligen Defiziten in der Vorbereitung auf die Tätigkeit eines Weiterbildungsstättenleiters wurden im Rahmen der alljährlichen Befragung der Leiterinnen und Leiter der Weiterbildungsstätten zur Erhebung der statistischen Grundlagen zu den Weiterbildungsstellen zusätzlich spezifische Fragen zur oben umrissenen Thematik gestellt. Die Datenerhebung erstreckte sich über den Zeitraum von April bis August 2016. Die statistische Erhebung findet jährlich jeweils im Vorfeld der Evaluation der Weiterbildung durch die Assistenzärztinnen und Assistenzärzte statt und wird im Auftrag des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF von der ETH Zürich durchgeführt. Im Rahmen dieser Befragung haben die Leiterinnen und Leiter der Weiterbildungsstätten die Gelegenheit, sich zu aktuellen gesundheitspolitischen Themen zu äussern. Im Jahr 2016 wurden in diesem variablen Modulteil der Befragung entsprechend Fragen zu den Themen «Stellenwert der Weiterbildung» und «Vorbereitung auf Führungsrolle» gestellt.

Methode

Umfrageteilnehmer und Durchführung

Im Rahmen der statistischen Erhebung der Weiterbildungsstellen im Frühling 2016 wurde den Leiterinnen und Leitern der Weiterbildungsstätten ein Link zu einem kurzen Online-Fragebogen zugeschickt. Die zusätz­lichen Fragen im variablen Modulteil des Online-Fragebogens, die Inhalt dieses Artikels sind, wurden von N = 1440 Leiterinnen und Leitern beantwortet. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 93 Prozent.

Fragebogen

Der erste Teil des variablen Modulteils des Fragebogens behandelte das Thema der Vorbereitung auf die Führungsrolle. Dazu wurde in einem ersten Schritt erfragt, wie gut sich die Leiterinnen und Leiter bei Antritt ihrer Stelle als Leiter/in der Weiterbildungsstätte auf verschiedene Funktionen vorbereitet gefühlt hatten, und in einem zweiten Schritt wurde erfasst, wie kompetent sie sich heute im Hinblick auf diese Funktionen fühlen. Im zweiten Modulteil zum Stellenwert der Weiterbildung wurden die Leiterinnen und Leiter zunächst um eine Einschätzung des Stellenwerts der Weiterbildung an ihrem Spital gebeten. Weiter wurde nach ihrer Identifikation mit unterschiedlichen Rollen gefragt. Die Beantwortung der Fragen erfolgte jeweils auf einer Skala von 1 bis 6.

Ergebnisse

Vorbereitung auf Führungsrolle

Bei Stellenantritt fühlten sich die Leiterinnen und Leiter der Weiterbildungsstätten beim Blick auf die verschiedenen Führungsaufgaben am besten auf die Funktion als medizinische Führungs-/Entscheidungsperson vorbereitet. Auf die Rollen als Weiterbildner und als Teamleiter fühlte sich je knapp ein Drittel mässig oder nicht gut vorbereitet. Mit der Berufserfahrung als Weiterbildungsstättenleiter nahmen die wahrgenommenen eigenen Kompetenzen in Bezug auf diese Funktionen zu und werden zum jetzigen Zeitpunkt von einer grossen Mehrheit als (sehr) gut eingeschätzt. Auf die Funktion als administrativer Leiter fühlten sich die wenigsten Leiterinnen und Leiter bei Stellenantritt gut vorbereitet. Knapp die Hälfte stufte sich als einigermas­sen kompetent ein und 10 Prozent der Befragten fühlten sich nicht gut vorbereitet. Zwar verbesserten sich auch die Fähigkeiten als administrativer Leiter mit zunehmender Berufserfahrung, jedoch beurteilt zum jetzigen Zeitpunkt immer noch etwa ein Viertel der Leiterinnen und Leiter ihre Kompetenz in dieser Funktion als mäs­sig oder (überhaupt) nicht gut. Die Ergebnisse zur Vorbereitung auf die Rolle als Weiterbildungsstättenleiter können Abbildung 1 entnommen werden.
Abbildung 1: Angaben der Leiterinnen und Leiter der Weiterbildungsstätten zur wahr­genommenen Vorbereitung/Kompetenz in Bezug auf verschiedene Funktionen eines ­Weiterbildungsstättenleiters zum Zeitpunkt des Antritts der Stelle als Weiterbildungsstättenleiter und zum jetzigen Zeitpunkt (N reichte von 1430 bis 1436).

Stellenwert der Weiterbildung

Trotz oft gegenteiliger Vermutungen wird der Stellenwert der Weiterbildung am eigenen Spital von der Hälfte der Leiterinnen und Leiter als sehr hoch eingestuft (Abb. 2). Weitere rund 40 Prozent der Befragten bewerten ihn als gross oder eher gross. Der Anteil der Leiterinnen und Leiter, die den Stellenwert der Weiterbildung an ihrem Spital als klein oder eher klein wahrnehmen, ist gering (< 2%).
Abbildung 2: Einschätzung des Stellenwerts der Weiterbildung durch die Leiterinnen und Leiter der Weiterbildungsstätten. Die Häufigkeiten der Antworten sind in Prozent ausgewiesen (N = 1433).
Die Identifikation mit den einzelnen Rollen eines Weiterbildungsstättenleiters ist allgemein sehr hoch (Abb. 3). Die Mehrheit der Leiterinnen und Leiter der Weiterbildungsstätten identifiziert sich mit ihrer Rolle als medizinische Führungs- und Entscheidungsperson, ihrer Funktion bei der Tätigkeit am Patienten wie auch ihren Funktionen als Teamleiter und als Weiterbildner. Einzig in der Rolle des administrativen Leiters sehen sich deutlich weniger.
Abbildung 3: Angaben der Leiterinnen und Leiter der Weiterbildungsstätten zum 
Grad ihrer Identifikation mit verschiedenen Rollen eines Weiterbildungsstättenleiters 
(N reichte von 1430 bis 1434).

Diskussion

Ein Drittel der befragten Leiterinnen und Leiter der Weiterbildungsstätten fühlte sich bei Antritt einer Stelle als Weiterbildungsstättenleiter nicht gut auf ihre Rollen als Weiterbildner und als Teamleiter vorbereitet. Im Hinblick auf die Funktion als administrativer Leiter ist es sogar mehr als die Hälfte. Ein Viertel der Leiterinnen und Leiter identifiziert sich auch im weiteren Verlauf ihrer Tätigkeit nicht mit der Rolle des administrativen Leiters. Diese Ergebnisse zeigen auf, dass eine Optimierung der Vermittlung von «soft skills» wie kommunikative und didaktische Fertigkeiten, Personalführung, Ökonomie und Management wichtig wäre. Der Stand der fachlich-ärztlichen Kompetenzen scheint hingegen eine problemlose Übernahme der Funktion als medizinische Führungs- und Entscheidungsperson einer Weiterbildungsstätte zu ermöglichen.
Die vorliegenden Resultate zum Kompetenzerwerb von Weiterbildungsstättenleitern decken sich mit den Erkenntnissen einer Befragung von Fachärzten zur Beurteilung der Weiterbildung aus dem Jahr 2014. Auch bei der Aufnahme der Tätigkeit als Facharzt war ein Defizit beim Erwerb von «soft skills» auf Stufe der Weiterbildung zum Facharzt erkennbar [1].
Die Weiterbildungsordnung des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF enthält zwar eine Reihe sogenannter allgemeiner Lernziele (z.B. Kommunikation, Menschenführung, Ethik, ökonomische Grundlagen, Umgang mit Fehlern), doch ist deren Vermittlung im heutigen Spitalalltag nicht einfach zu realisieren und es müssen Mittel und Wege gefunden werden, sie zu verbessern.
Entgegen der Befürchtung, dass die Weiterbildung an den Weiterbildungsstätten keinen grossen Stellenwert geniesst, identifizieren sich die Leiterinnen und Leiter jedoch sehr stark mit ihrer Rolle als Weiterbildner und sind der Auffassung, dass der Weiterbildung klinik­intern ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Bedenken bezüglich des Ersetzens von Ärzten in Weiterbildung durch Spitalärzte werden durch die Umfrageresultate somit nicht bestätigt. Die Weiterbildungsstätten identifizieren sich noch immer mit ihrem Bildungsauftrag, und diese Identifikation scheint gegenüber Kostenüberlegungen im Zusammenhang mit der Einstellung von Spitalärzten zu überwiegen. Auch im Rahmen der Einführung des DRG-Systems und des damit verbundenen ökonomischen Drucks gab es entgegen der Ankündigung von vielen Leiterinnen und Leitern praktisch keine Fälle, in denen Ärzte in Weiterbildung durch Spitalärzte ersetzt wurden [2].
Institute for Environmental Decisions (IED)
Consumer Behavior
ETH Zürich CHN J 76.3
Universitätstrasse 22
CH-8092 Zürich
1 Siegrist M, Sütterlin B, Burgermeister LC, Bauer W. Beurteilung der Weiterbildung durch Fachärztinnen und Fachärzte. ­Schweizerische Ärztezeitung. 2015;96(22):758–763.
2 Sütterlin B, Burgermeister LC, Siegrist M, Bauer W. Resultate der Umfrage 2014 zur Beurteilung der Weiterbildung. Schweizerische Ärztezeitung. 2016;97(5):168–171.