«Alles schön bunt» oder «nur Ärzte sehen schwarz»

FMH
Ausgabe
2017/40
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2017.06090
Schweiz Ärzteztg. 2017;98(40):1277

Affiliations
Dr. med., Mitglied des FMH-Zentralvorstandes, Departement Digitalisierung / eHealth

Publiziert am 04.10.2017

Nach dem Scheitern einer einheitlichen Lösung der Wellenkonferenz in Stockholm und dem missglückten Vermittlungsversuch der Vollversammlung des «Comité Consultatif International des Radiocommuni­cations» in Oslo zu einer Einheitsnorm hat der Bundesrat vor fünfzig Jahren, am 15. August 1967, die Einführung des PAL-Systems beschlossen. Sie ahnen es bereits: Es geht um die Einführung des Farbfernsehens in der Schweiz. Der Beschluss war zumindest für die Empfänger in der Westschweiz von hoher Tragweite. Da Frankreich aus politischen Gründen das SECAM-System («Séquentiel couleur à mémoire» oder «Système élégant contre l’Amérique») einführte, sahen sich die Empfänger gezwungen, einen «Mehrnormen-Farbfernsehempfänger» zu beschaffen, wenn sie neben den Schweizer Programmen auch die Programme aus Frankreich empfangen wollten. Der zuständige Bundesrat Roger Bonvin stellte im Mitbericht fest, dass diese ungleiche Lage sehr zu bedauern, aber in Folge der technischen Gegebenheiten im Ausland unvermeidlich sei.
Fünfzig Jahre später, am 5. Juli 2017, eröffnete das Eidgenössische Departement des Innern die Vernehmlassung zur Revision der Verordnung über das elektronische Patientendossier zur Einführung der Austauschformate. Mit der Aufnahme der inhaltlichen und technischen Vorgaben für den Austausch von strukturierten Informationen im elektronischen Patientendossier (EPD) bekennt das EPD erstmals «Farbe». Auch hier ist der Bundesbeschluss für die Schweiz nicht ohne Folgen: Ärztinnen und Ärzte, die strukturierte Daten «empfangen» möchten, müssen auf geeignete technische Empfänger umstellen.
Dass ein Ausführungsrecht kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes revidiert wird, ist bei Rahmengesetzen nicht unüblich. Erschwerend hinzu kommen beim EPD die weiteren Schnittstellen zu eHealth mit neuen oder laufenden Regulierungen, unter anderem in den Bereichen Tarifeingriff Krankenversicherungsgesetz, Medizinalberufegesetz, Heilmittel- und Datenschutzgesetz.
Im Entwurf zum totalrevidierten Datenschutzgesetz (DSG) werden der Ärzteschaft im Zuge der Übernahme der Verordnung (EU) 2016/679 strengere als notwendige Pflichten auferlegt: Ärztinnen und Ärzte müssen die Adressaten, also Patientinnen und Patienten sowie nachbehandelnde Gesundheitsfachpersonen, über jede Berichtigung, Löschung oder Vernichtung von ­Daten, über Verletzungen des Datenschutzes etc. informieren. Bei Nichtinformieren drohen Sanktionen.
Wie der Gesetzgeber sich die Umsetzung dieser Regelung im Kontext des EPD vorstellt, ist unklar: Da die Kommunikation im Dossier ungerichtet erfolgt, kann der Arzt oder die Ärztin gar nicht wissen, welche Gesundheitsfachpersonen diese Daten lesen werden.
Neu sollen in Art. 50, Revision des Verordnungspakets zum HMG, die Anforderungen an das (elektronische) Rezept geregelt werden. Diese folgen den Grundsätzen des Anhangs der Durchführungsrichtlinie 2012/52/EU. Aus Sicht der Digitalisierung im Gesundheitswesen stehen die Vorgaben im Widerspruch zum EPD bezüglich verlangter Signatur. Zudem vernachlässigen sie die Kernprobleme bei der elektronischen Unterstützung des Medikationsprozesses.
Der Bericht der Generaldirektion der PTT-Betriebe vom 31. Mai 1967 hält fest, dass das Fehlen einer europäischen Norm die Kosten für den Empfänger erhöht. Eine fehlende Koordination des Bundesrechts wird dazu führen, dass sich unterschiedliche Lösungen im Markt etablieren. Diese wirken sich auf eHealth und schliesslich auf das EPD aus. Für alles braucht es immer auch einen geeigneten Empfänger. Einige sehen schwarz.