Wer nicht handelt, wird behandelt…oder bald nicht mehr

FMH
Ausgabe
2019/12
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.17718
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(12):410

Affiliations
Dr. med., Vizepräsident der FMH, Departementsverantwortlicher DDQ

Publiziert am 20.03.2019

Diese Frage wird gerade intensiv diskutiert: Haben wir zu viele oder zu wenige Ärztinnen und Ärzte? Haben wir die richtigen? Wie sieht die Zukunft aus? Die Tat­sache, dass unsere Bevölkerung immer älter und polymorbider wird und diesem Umstand in Zukunft eher mit mehr als mit weniger Ressourcen zu begegnen sein wird, müssen wir als nicht zu widerlegendes Faktum anerkennen.
Mit der jährlich veröffentlichten Ärztestatistik leistet die FMH ihren Beitrag zu einer faktenbasierten Diskussion. Wenn wir ins vergangene Jahr zurückblicken, dann erinnern wir uns an eine Studie von santésuisse, welche am 17. September 2018 in der NZZ zur Schlagzeile «Der Schweiz droht eine teure Überversorgung mit Ärzten» geführt hat. Dies notabene bei einem Durchschnittsalter in den Arztpraxen von 55 Jahren. Gemäss dem BAG waren 2015 fast 30% der Haus- und Kinderärzte älter als 60 Jahre, und nur einer von fünf hat schon eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für seine Praxis gefunden. Gleichzeitig lesen wir aus Deutschland am 16. Oktober 2018: «Hessische SPD will drohendem Ärztemangel mit Sofortprogramm entgegentreten», bei einem Durchschnittsalter in den Arztpraxen von 52 Jahren und vergleichbarer Ärztedichte. Die Ärztedichte bezogen auf Vollzeitäquivalente liegt in der Schweiz sogar noch unter Deutschland. Und noch eine Aussage macht in diesem Kontext hellhörig: Erst im Januar 2019 hat der Jobradar vermeldet, dass es noch nie so viele offene Arztstellen in der Schweiz gab wie heute. Die Anzahl stieg von 1130 im Jahr 2013 auf 2951 im Jahr 2018. Mangel oder Schwemme? Entscheiden Sie selber, sehr geehrte Leserinnen und Leser.
Eine weitere interessante Publikation hat uns erst kürzlich erreicht: Der European Health Consumer Index 2018 titelt: «The Netherlands dethroned by Switzerland in annual European health performance ranking», und stellt das Gesundheitswesen der Schweiz somit an erste Stelle. Bezüglich der Versorgungssituation macht vor allem eine Passage hellhörig: «No correlation between accessibility to healthcare and money spent: It is inherently cheaper to run a healthcare system without waiting lists than having waiting lists! Contrary to popular belief, not least among healthcare politicians, waiting lists do not save money – they cost money!» Wie stark die Schweiz auch auf unsere Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland angewiesen ist, zeigen auch folgende Zahlen: Im Jahr 2018 haben 1029 Ärztinnen und Ärzte das eidgenössische Diplom in Humanmedizin erhalten, während gleichzeitig von der Medizinalberufekommission (MEBEKO) 3292 ausländische Di­plome anerkannt wurden. Auf Ebene Facharzttitel haben im vergangenen Jahr 1434 Ärztinnen und Ärzte einen eidgenössischen Facharzttitel erworben, während die MEBEKO 1392 ausländische Facharzttitel an­erkannt hat. Also: Wir benötigen nebst unseren eigens aus- und weitergebildeten Fachärzten rund ebenso viele Kolleginnen und Kollegen zusätzlich aus dem Ausland. Wie wir hier nicht nur richtig, sondern auch effizient vorgehen könnten, zeigen die Vorschläge der FMH zur Zulassungsregelung von Ärztinnen und Ärzten auf: Keine teuren kantonalen Verwaltungsapparate, sondern Kantonsgrenzen-übergreifende Versorgung und einfache Qualitätskriterien, welche unseren Patientinnen und Patienten sowie unserem Gesamtsystem zugutekommen, sind die Lösung! Ohne sprachliche Verständigung keine Patientenorientierung! Ohne Kenntnisse unseres Systems keine Grundlage, darin konstruktiv mitarbeiten zu können! Und mittels der Auflage, dass eine dreijährige Tätigkeit an einer ­anerkannten Weiterbildungsstätte im angestrebten Fachgebiet zu leisten ist, kann sogar noch auf den ­Fachärzte-Mix Einfluss genommen werden. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch, nun gilt es, zu handeln!