Sibylle Berg bekämpfte in einem Aktionskomitee die vom Bundesrat beschlossene, gesetzliche Grundlage für Sozialdedektive, die im November 2018 mit zwei Drittel der Stimmen angenommen wurde. «Wohl verloren. Berg weint», twitterte die Autorin nach der Niederlage. Noch viel weitreichendere Folgen werden die Abstimmungen über Kürzungen der Sozialhilfe haben. Dreissig Prozent weniger Geld für den Grundbedarf oder pro Tag und Person fünf Franken Essensgeld. Bern, Aargau und Baselland planen einschneidende Senkungen, die gemäss Caritas verfassungswidrig sind. Die düstere Verlängerung der Gegenwart lässt sich leicht auf Beschlüsse bürgerlich dominierter Parlamente zurückführen. Nach dem vollzogenen Brexit wird der Sozialabbau in Grossbritannien mit allen Konsequenzen vorangetrieben. Ausser in der Musik ist kein Platz für Träume. Kurze Steckbriefe leiten zu den Geschichten von Don, Hannah, Karen, Peter und den zahlreichen Nebenfiguren ein. Die Kinder wachsen auf im Armutsviertel von Rochdale bei Manchester. Im Stich gelassen, verwahrlost und gedemütigt, geprägt von Sucht und Gewalt, kämpfen sie gegen Einsamkeit und Langeweile. Die Mütter sind überfordert, die Väter abwesend. Männer kommen schlecht weg, junge und alte aus allen Gesellschaftsschichten, triebgesteuert, aggressiv, absturzgefährdet und bösartig. Das Leben ist ein grausamer Überlebenskampf aller gegen alle, die Schulen kaputtgespart, das Gesundheitswesen verlottert. Dafür gibt es billig subventionierte Psychopharmaka. Russen und Chinesen haben das Zentrum Londons aufgekauft, Militär und Polizei sind privatisiert. Es wimmelt von Drohnen, wer sich einen Chip einpflanzen lässt, bekommt ein garantiertes Mindesteinkommen, das durch Bonus- und Maluspunkte reguliert wird. Eine knallharte, monströse Erzählung, die alle aktuellen Übel von Digitalisierung, Gentechnik und ökologischen Katastrophen weiterspinnt. Abstossend, ermüdend und überwältigend und bei allem Zynismus voller Erbarmen für diese Unterschicht-Menschlein, die einen hoffnungslosen Ausstieg versuchen. Ein Text, der durch die dunkelsten Winkel des Internets surft, brutal und oft kaum auszuhalten. Grossartig geschrieben, in einem Textrhythmus, der mit seinen Zeilensprüngen an Lyrik und Sprechgesang erinnert, an Rap oder eben Grime. Der kommende Premierminister ist der Avatar einer IT-gesteuerten Klassengesellschaft mit einer degenerierten Oberschicht. Wer zu den Verlierern zählt, die absteigende Mittelschicht, Flüchtlinge, Illegale, Obdachlose, sie alle müssen verschwinden.