FMH-Arzt im Einsatz für Ärzte ohne Grenzen

«Ich sehe vor Ort unmittelbar die Resultate unserer Arbeit»

FMH
Ausgabe
2019/34
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2019.18107
Schweiz Ärzteztg. 2019;100(34):1100-1101

Affiliations
Dr. med., Pädiater

Publiziert am 20.08.2019

Jedes Jahr leisten Ärztinnen und Ärzte der FMH humanitäre Nothilfe für die Hilfsorganisation «Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF)», so auch der Westschweizer Nicolas Peyraud. Der Pädiater ist aktuell als Sujet der FMH-Plakatkampagne «Wir helfen» zu sehen.
Im September war Nicolas Peyraud für «Ärzte ohne Grenzen» im westafrikanischen Niger. «Im Vergleich zur Schweiz ist es eine völlig andere Art zu arbeiten. Ständig geschieht etwas Neues und jeder Tag ist anders. Die Aufgaben sind extrem vielseitig. Eine Routine entwickelt sich kaum», sagt Peyraud. Ausserdem sind die Behandlungsmöglichkeiten beschränkt und die Arbeit im Team äusserst wichtig. Als leitender Pädiater war es seine Aufgabe, die Qualität der medizinischen Versorgung zu beurteilen, wobei er unter anderem auf der Kinderstation des Bezirksspitals von Magaria tätig war. «Wir hatten während der Malaria-Hochsaison pro Woche bis zu 890 Kinder unter fünf Jahren hospitalisiert. Viele litten unter schwerer Mangelernährung und Infektionskrankheiten wie Malaria», so Peyraud. Das Spital in Magaria ist die einzige Gesundheitsversorgung in einer Region, in der über 700 000 Menschen leben.

Über MSF

«Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF)» ist eine internationale, unabhängige, humanitäre Hilfsorganisation, die medizinische Nothilfe für Menschen leistet, die von bewaffneten Konflikten, Epidemien, mangelhaften Gesundheitssystemen oder Naturkatastrophen betroffen sind.
«Ärzte ohne Grenzen Schweiz» ist in 23 Ländern in über 70 Projekten tätig (unter anderem in der Demokratischen Republik Kongo, im Südsudan, in Jemen, im Irak, in der Ukraine, in Honduras oder in Myanmar). Dabei leisten über 6700 Personen Hilfe vor Ort.
92% der Spendengelder kommen direkt dem sozialen Auftrag und den Projekten von MSF Schweiz zugute. 8% werden für die Verwaltung, Mittelbeschaffung und Kommunikation ausgegeben. 1999 erhielt MSF den Friedensnobelpreis.

Malaria in Kombination mit ­Mangelernährung

Jedes Jahr kommt es zu einem Versorgungsengpass zwischen Juni und November, wenn die Nahrungsvorräte aufgebraucht sind und die Ernte noch nicht eingebracht wurde. Weil dann auch Regenzeit ist und die Malaria übertragenden Mücken sich vermehren, steigt die Zahl von Malariainfektionen drastisch. «Problematisch sind die Fälle, in denen schwer mangelernährte und an Malaria erkrankte Kinder zu spät zu uns ins Spital kommen. Diese leiden unter fortgeschrittenen Komplikationen, von denen sie sich manchmal nicht mehr erholen», sagt Peyraud. Zu sehen, wie Kinder an Krankheiten sterben, die vermeidbar gewesen wären oder in einem frühen Stadium leicht behandelt hätten werden können, zählt mit zu den schwierigen Erfahrungen, die er im Einsatzgebiet machen musste. Dennoch gab es auch viele schöne Momente. «Es ist beeindruckend, auf den Einsätzen zu sehen, wie die Mitarbeitenden als echtes Team mit der gleichen Vision zusammenarbeiten und versuchen, den schwerkranken Kinder zu helfen», so Peyraud. Seine Einsätze mit «Ärzte ohne Grenzen» sieht er als Bereicherung, da er mit seiner Arbeit dort medizinische Hilfe leisten kann, wo sie am dringendsten benötigt wird. «Ich sehe vor Ort unmittelbar die Resultate unserer Arbeit.»

Präzise Beobachtungen sind wichtig

Die Tätigkeit in einem anderen kulturellen Kontext erfordert allerdings viel Flexibilität und immer mal wieder alternative Herangehensweisen. «Fehlen beispielsweise entsprechende Labore und medizinische Geräte, dann muss aufgrund von genauen Beobachtungen der entsprechenden Symptome der Patientinnen und Patienten eine Diagnose erstellt werden. Dazu braucht es eine gute Beobachtungsgabe. Als Orientierung dienen das eigene klinische Wissen und die ärztliche Erfahrung», sagt Peyraud. Geduld, Frustrationstoleranz und auch Flexibilität im Team sind sehr gefragt, denn unter Umständen hat jeder eine andere Mentalität, aber es ist wiederum genau dieser internationale Austausch, der grosse Freude bereiten kann.

Teilnahme an der FMH-Kampagne

«Alle unsere Spezialistinnen oder Spezialisten, sei es im Bereich der Anästhesie, Gynäkologie, Psychiatrie, oder Chirurgie, benötigen für einen Feldeinsatz zwingend einen eidgenössischen Facharzttitel. Ausserdem ist die Schweizer Nationalität für bestimmte Einsatzländer aufgrund der neutralen Wahrnehmung sehr gefragt», so Peyraud. Der Pädiater ist derzeit mit einem Foto auf den Plakaten der FMH-Kampagne «Wir helfen» an grossen Bahnhöfen in der Schweiz zu sehen. Die Teilnahme von «Ärzte ohne Grenzen» an der FMH-Kampagne war für die Hilfsorganisation kostenlos. «Ich würde mich natürlich freuen, wenn sich aufgrund der Kampagne FMH-Ärztinnen und -Ärzte für einen humanitären Einsatz melden würden», sagt Peyraud. Er ist sich aber auch bewusst, dass es für viele Interessierte eine Herausforderung ist, sich für mehrere Monate aus dem Schweizer Berufsalltag zu befreien. Das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) erkennt bis zu sechs Monate humanitäre Arbeit mit «Ärzte ohne Grenzen» im Rahmen der Weiterbildung für den Facharzt Allgemeine Innere ­Medizin an. «Für andere kommt ein Einsatz vielleicht nach einer Ausbildung, während eines Sabbaticals oder nach Ende der Karriere infrage», so Peyraud. Er würde es sehr begrüssen.

Wollen auch Sie die Arbeit von MSF unterstützen?

Um eine Spende zu tätigen, besteht die Möglichkeit ­einer Postüberweisung (PC-Konto 12-100-2), einer Banküberweisung (IBAN CH18 0024 0240 3760 6600Q) sowie online auf www.msf.ch.

Voraussetzungen für eine Tätigkeit für MSF

Sie interessieren sich für einen Einsatz?

Als Ärztin oder Arzt im Einsatz für «Ärzte ohne Grenzen» behandeln Sie Patienten, Sie stimmen sich mit lokalen Gesundheitsbehörden ab, leiten und schulen Personal, identifizieren Gesundheitsrisiken, erheben medizinische Daten und schreiben Berichte.
Voraussetzung ist eine medizinische Ausbildung, die vollständig mit Diplom abgeschlossen wurde, sowie mindestens drei Jahre Berufserfahrung im Spital nach Abschluss des Studiums. Pädiater benötigen mindestens drei Jahre Spitalerfahrung im Bereich Pädiatrie, aber nicht notwendigerweise den Facharzttitel. Ärztinnen und Ärzte in Bereichen wie Anästhesie, Chirurgie, Gynäkologie, Psychiatrie müssen über das eidgenössische Facharztdiplom verfügen.
«Ärzte ohne Grenzen» legt Wert auf ein möglichst breites Erfahrungsspektrum. Polyvalenz ist von zentraler Bedeutung, um in unterschiedlichen Kontexten arbeiten zu können. Erfahrung ist unerlässlich, weil von den medizinischen Fachkräften im Feld ein hohes Mass an Selbstständigkeit erwartet wird.
Neben dem vielseitigen medizinischen Know-how werden zusätzlich ein humanitäres Engagement und eine Verbundenheit mit den Werten von «Ärzte ohne Grenzen» vorausgesetzt. Die Bereitschaft, in jeglichen Einsatzländern, auch in unsicheren Gebieten, tätig zu sein, ist ebenfalls notwendig, sowie die Anpassungsfähigkeit und Bereitschaft zur Arbeit in einem multikulturellen Team. Da ein Grossteil der Arbeit auch das Schulen lokaler Mitarbeiter umfasst, ist Erfahrung in Lehre und Personalmanagement ebenfalls von Vorteil.
Die Teilnahme an einer Infoveranstaltung kann helfen, die Bewerbung und eine mögliche Abreise besser vorzubereiten und zu klären, ob ein humanitärer Einsatz wirklich das Richtige ist.
Um Anmeldung über die Webseite www.msf.ch wird gebeten:
Zürich, 27. August um 18 Uhr am Unispital, Grosser Hörsaal OST HOER B10.
Genf, 3. September um 18 Uhr am Hauptsitz von MSF, 78 rue de Lausanne.
Bern, 12. September um 18 Uhr an der Berner Fachhochschule, Hörsaal 004.
office-zuh@geneva.msf.org