Nachdem ich also erfahren habe, dass es grundsätzlich erlaubt ist, Rose Beihilfe zum Suizid zu gewähren, versetze ich mich in die Rolle der Ärzte und versuche deren Entscheidungsprozess nachzuvollziehen. Einerseits ist es einem Arzt aufgetragen, gemäss dem Prinzip der Schadensvermeidung schädliche Eingriffe zu unterlassen. Andererseits sollte immer der Respekt vor der Autonomie des Patienten gewahrt werden. Es ist in diesem Fall unmöglich, Rose nicht zu schaden und gleichzeitig ihrem Wunsch nachzukommen. Dies bringt den Arzt in die schwierige Situation, diese Prinzipien gegeneinander abzuwägen. Aber wie sieht es bei einer Patientin wie Rose aus, die bereits eingeschränkte kognitive Fähigkeiten hat? Können wir da überhaupt noch von Autonomie sprechen? Kann es vielleicht auch sinnvoll sein, dem Wunsch der Patientin zu ihrem eigenen Wohl nicht nachzukommen? Zuerst würde ich sicherstellen, dass sich Rose der Konsequenzen ihrer Entscheidung vollumfänglich bewusst ist, was auch über einen längeren Zeitraum geprüft werden müsste. Als wichtig erachte ich es auch, herauszufinden, ob Rose nicht unter Druck handelt, also ob sie sich nicht einfach davor fürchtet, wertlos zu sein, insbesondere, da sie ihren Willen mit der Angst, hilflos und abhängig zu werden, begründet. Diese Befürchtung kann auch aus unserer Leistungsgesellschaft heraus entstehen. Für viele Menschen ist es unvorstellbar, im hohen Alter wieder abhängig von anderen zu werden, und einige möchten ihrem Leben daher selbstbestimmt ein Ende setzen. Dass es aber ein ganz natürlicher Prozess ist, dass wir Menschen gegen Ende unseres Lebens wieder auf andere angewiesen sind, wird leider oft vergessen. Erst wenn somit feststeht, dass die betreffende Person nicht unter Druck handelt, kann man den Wunsch als autonome Entscheidung gewichten.