TARDOC erlaubt ein exaktes Tarifmonitoring

FMH
Ausgabe
2020/44
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2020.19334
Schweiz Ärzteztg. 2020;101(44):1447-1448

Affiliations
Expertinnen Abteilung Ambulante Versorgung und Tarife

Publiziert am 27.10.2020

Der aktuell gültige Tarif für ärztliche Leistungen, TARMED, ist aufgrund seines ­Alters und aufgrund verschiedener Eingriffe nicht mehr sachgerecht und betriebswirtschaftlich. Zudem erschweren gewisse Regeln und Unvollständigkeiten im ­Tarif die tägliche Arbeit der Ärzteschaft. Ärztinnen und Ärzte erbringen häufig Leistungen, die sie nicht verrechnen können.
Das BAG hat die Tarifpartner auch dieses Jahr wieder beauftragt, die Abrechnungsdaten vom vergangenen Jahr (2019) auf die Auswirkungen des Bundesrats­eingriffs per 1. Januar 2018 zu analysieren. Im Rahmen dieses Monitorings zur Tarifanwendung hat die FMH analysiert, warum die neue Tarifstruktur für ambulante Leistungen, TARDOC, auch aus einer Tarif­monitoring-Perspektive die richtige Option für die Ablösung des aktuell gültigen Arzttarifs TARMED ist.

Limitationen im TARMED erschweren medizinisch notwendige Leistungs­erbringung

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass sich die Ärztinnen und Ärzte an die im TARMED hinterlegten Limitationen halten. Nur bei einem kleinen Prozentsatz (0.17 Prozent) aller Sitzungen wird die hinterlegte Limitation in den Tarifpositionen überschritten. Solche Überschreitungen können beispielsweise erfolgen, wenn der Krankenversicherer aufgrund einer Kostengutsprache eine Verletzung der Limitation bewilligt hat. Beispiel Grundkonsultation (00.0010 ff): Tarifarisch abgerechnete Zeitüberschreitungen betreffen auch im Jahr 2019 nicht in erster Linie die Altersgruppe unter 6 und über 75 Jahren. Dies deutet darauf hin, dass in einigen Fällen eine längere Konsultationszeit auch bei der Altersgruppe zwischen 6 und 75 Jahren medizinisch notwendig war.
Der Bundesrat hat im verordneten Tarif 01.09.00_BR für Patienten zwischen 6 und 75 Jahren mit einem erhöhten Behandlungsbedarf separate Tarifpositionen mit Limitation analog der Limitationen für Kinder und ältere Patientinnen und Patienten geschaffen. Allerdings dient dies Ärztinnen, die viele Patientinnen mit chronischen Erkrankungen oder multimorbide Patienten betreuen, nur ungenügend: Wenn eine Ärztin die Tarifpositionen für Patientinnen und Patienten mit ­erhöhtem Behandlungsbedarf überdurchschnittlich häufig in Rechnung stellt, ist mit einem erhöhten administrativen Aufwand (der nicht separat entschädigt wird) und mit Rückfragen der Krankenversicherungen zu rechnen.

Limitationen wurden einvernehmlich zwischen Kostenträgern und Fachgesellschaften verhandelt

Im TARDOC haben die Tarifpartner in der Regel auf die Unterscheidung zwischen Tarifpositionen nach Alter verzichtet. Zeitliche Limitationen von medizinischen Leistungen wurden zwischen Versicherungsvertretern und Fachärzten gemeinsam und einvernehmlich festgelegt.
Um die Behandlung chronisch kranker, multimorbider Patientinnen und Patienten in Zukunft weiterhin adäquat sicherzustellen und entsprechend abrechnen zu können, haben die Tarifpartner unter anderem separate Tarifpositionen im Bereich nichtärztliche Leistungen im Rahmen des delegierten Chronic Care Managements geschaffen. Auch für die Palliativmedizin gelten neu bedeutend grosszügigere Limitationen, die der Strategie des Bundesrats [1], der die Betreuung und ­Behandlung von Menschen am Lebensende weiter verbessern möchte, entgegenkommt.
Auch die Limitationen bei den Leistungen in Abwesenheit des TARMED stellen Ärztinnen und Ärzte heute immer wieder vor grosse Herausforderungen: Die ­administrativen Anforderungen (zu einem grossen Teil im Auftrag von Versicherungen) nehmen laufend zu, die Limitationen hingegen werden eher verschärft. Beispielsweise gilt die Limitation für diese Leistungen per 01.01.2018 für alle Fachärztinnen und Fachärzte. Zuvor galt die Limitierung nicht für die elektronisch abrechnende Ärzteschaft.
Durch die Erweiterung der Limitationen auf alle Fachärzte ist das Taxpunktvolumen der Tarifpositionen 00.0140 ff gegenüber 2017 um 8.85% gesunken. Dies obwohl die Taxpunkte für die ärztliche Leistung (AL) per 01.01.2018 um knapp 9% angehoben worden sind und damit das Taxpunktvolumen erhöht wurde. Effektiv haben sich die Anzahl der Leistungen in Abwesenheit um fast doppelt so viel Prozente reduziert. Im Jahr 2019 liegt das Niveau nach wie vor 2.5% tiefer als es 2017 der Fall war, und dies trotz der vorher erwähnten Aufwertung der Taxpunkte für die ärztliche Leistung.
Mit dem Tarif TARDOC sind die Limitationen für Leistungen in Abwesenheit heraufgesetzt worden, das heisst, es darf tarifarisch mehr Zeit für diese Leistungen geltend gemacht werden. Zudem ist es den Tarifpartnern gelungen, die Leistungen in Abwesenheit bezüglich Limitationen in zwei Kategorien aufzugliedern: Zum einen sind dies Leistungen in Abwesenheit im Zusammenhang mit administrativer Büroarbeit (hierunter fallen zum Beispiel Studium von Fremdakten, Überweisungen an Konsiliarärzte oder Ausstellen von Rezepten oder Verordnungen ausserhalb einer phy­sischen oder elektronischen Konsultation oder von ­Besuchen). Andererseits sind es Leistungen in Ab­wesenheit im Zusammenhang mit Umfeldarbeit (dazu zählen zum Beispiel Auskünfte von/an Dritte[n] und Erkundigungen bei Dritten, Auskünfte von/an Angehörige[n] oder andere[n] Bezugspersonen der ­Patientinnen sowie Besprechungen mit Ärztinnen, Therapeuten und Betreuerinnen der Patientinnen und Patienten).
Als zusätzliche Herausforderung sind die Leistungen in Abwesenheit mit dem neusten Bundesratseingriff von 2018 von einer allgemeinen Formulierung weg, hin zu sehr spezifisch ausformulierten Einzelpositionen aufgegliedert worden. Grundsätzlich stellt dies aus Sicht der FMH eine Verbesserung dar, allerdings müssten die aufgegliederten Tarifpositionen dafür alle Leistungen umfassen, welche bisher über die Sammel-Tarifposition abgerechnet worden sind. Bei den Leistungen in Abwesenheit des Patienten im Auftrag des Versicherers, eine Leistung, welche in den letzten Jahren ein sehr starkes Wachstum erfahren hat, ist das heute nicht der Fall. Wir gehen davon aus, dass dieser Trend auch in den kommenden Jahren noch weiter fortgeführt werden wird. Den in der gemeinsamen Einrichtung ats-tms AG zusammengeschlossenen Tarifpartnern ist es gelungen, auch diese Lücken im TARDOC zu schliessen.
Die sachgerechte Festsetzung von Limitationen im TARDOC bilden die Realität korrekt ab und in der Analyse kann deren Anwendung sehr gut monitorisiert werden.

Notwendige Differenzierung

Im TARDOC wurden, wo medizinisch notwendig, Leistungen differenziert tarifiert.
– Durch Schaffung eines separaten Hausarztkapitels sind künftig die Leistungen der Hausarztmedizin besser abgebildet und können entsprechend in ­ihrer Anwendung ebenfalls analysiert werden.
– Leistungsblöcke und die «Alleinigen Leistungen», deren Kumulation mit anderen Leistungen stark eingeschränkt war, wurden aufgehoben.
– Vor- und Nachbereitung sowie Wechselzeiten wurden wo immer möglich und tarifarisch sinnvoll separat tarifiert. Damit kann künftig genau analysiert werden, in welchen Situationen diese zur Anwendung kommen.

Notwendige Aktualisierung

Alle heute im TARMED tarifierten Leistungen wurden gemäss den aktuellen medizinischen Gegebenheiten aktualisiert. Des Weiteren sind Leistungen, die nach der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) Pflichtleistungen darstellen und heute nicht im TARMED abgebildet sind, tarifiert. Bisher bestand nur die Möglichkeit, diese in Analogie zu verrechnen.

Es braucht den TARDOC

Durch die Aktualisierung aller medizinischen Leistungen, der sachgerechten Limitationen und Kumulationsverboten, der Tarifierung von Leistungen, die bisher in Analogie abgerechnet werden mussten, wird nicht nur die medizinische Leistungserbringung sachgerechter abgebildet, vielmehr wird auch die Analyse von Abrechnungsdaten exakter möglich sein.
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