Organisation für ambulante Arzttarife (OAAT) auf gutem Weg

Kommentar
Ausgabe
2022/39
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.21097
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(39):26-27

Publiziert am 27.09.2022

OAAT Die Gründung der Organisation für ambulante Arzttarife (OAAT) steht kurz bevor. Alle Tarifpartner haben der OAAT gemäss Art. 47a KVG zugestimmt. Ausstehend ist die vorgängige Unterzeichnung der Eckwerte zum Umgang mit den Tarifwerken TARDOC und ambulante Pauschalen.
Die Tarifpartner haben produktiv zusammengearbeitet, um die OAAT auf den Weg zu bringen.
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Kaum eine der im Massnahmenpaket 1a zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen vorgeschlagenen Massnahmen war so unumstritten und allseits akzeptiert, wie die Gründung einer nationalen, ambulanten Tariforganisation für ärztliche Leistungen. Das Parlament begrüsste diese Massnahme praktisch einstimmig. Mit dem Art. 47a KVG ist nun der klare gesetzliche Auftrag zur Gründung der «Organisation für Tarifstrukturen für ambulante Behandlungen» in Kraft. Die Verbände der Leistungserbringer und der Versicherer werden aufgefordert, eine Organisation einzusetzen, die für die Pflege und Weiterentwicklung der Tarifstrukturen für ambulante ärztliche Behandlungen zuständig ist. Die beteiligten Verbände müssen paritätisch vertreten sein.
Urs Stoffel
Dr. med., Mitglied des FMH-Zentralvorstandes, Departementsverantwortlicher Ambulante Versorgung und Tarife
Diese Aufforderung hat allerdings in Absatz 3 des Art. 47a KVG ein Ablaufdatum. Sollte es den Tarifpartnern nicht gelingen, innerhalb von zwei Jahren eine solche Organisation auf die Beine zu stellen, dann wird der Bundesrat diese Organisation einsetzen.
Seit August 2021 sind die Tarifpartner unter der Leitung von Regierungsrat Pierre Alain Schnegg daran, die Gründung einer solchen ambulanten Tariforganisation aufzugleisen. Vorbild für diese Organisation ist die SwissDRG AG, welche die gleiche Aufgabe seit 2012 im stationären Bereich erfolgreich und allseits akzeptiert erfüllt. Es wurde eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Leistungserbringer (FMH und H+) und der Kostenträger (santésuisse, curafutura und MTK) mit Beteiligung der GDK gebildet, welche die Details für diese Organisation unter der Begleitung eines unabhängigen Juristenteams erarbeitet hat. Ein paritätisch aus den Tarifpartnern zusammengesetztes «Soundingboard» erteilte Aufträge an die Arbeitsgruppe und fällte abschliessende Entscheide zu den Rahmenbedingungen dieser Organisation.

Was bisher geschah

Obwohl alle Tarifpartner sich grundsätzlich und klar zu dieser gemeinsamen Organisation bekannt haben, zeigte sich, dass das alte Sprichwort «Der Teufel liegt im Detail» einmal mehr greift. Anfänglich taten sich die Tarifpartner beispielsweise bezüglich der Frage der Zusammensetzung des Verwaltungsrates sehr schwer, aber auch bezüglich der Eckwerte und der Koordination der beiden Tarifwerke. Mehrmals stand die Tarifpartnerschaft kurz vor dem Aus, da eine Einigung nicht mehr möglich schien. Es ist sicherlich der Hartnäckigkeit und dem Verhandlungsgeschick von Regierungsrat Pierre Alain Schnegg und dessen Mitarbeiterin sowie der professionellen Begleitung des Juristenteams zu verdanken, dass bei einer drohenden Pattsituation schliesslich doch noch eine einvernehmliche Lösung gefunden werden konnte.

Doppelte Parität bringt Durchbruch

In einer Open-End-Sitzung konnte durch den Vorschlag der H+ – nach Anpassungen – eine Vereinbarung gefunden werden, der letztlich die Leistungserbringer und die Kostenträger zustimmen konnten. Basis dieser gemeinsamen Vereinbarung war, dass sowohl der Parität der Tarifpartner (Leistungserbringer und Kostenträger) als auch der Parität der Tarifprojekte – Einzelleistungstarif TARDOC und ambulante Pauschalen – Rechnung getragen wird. Das bedeutet, dass beide Tarifprojekte innerhalb der gemeinsamen Tariforganisation gleichberechtigt sind. Die Tarifpartner waren sich zudem einig, dass diese Vereinbarung integraler Bestandteil der Gründungsdokumente (Statuten und Aktionärsbindungsvertrag) sein soll.

TARDOC ist gesetzt!

Am 3. Juni 2022 hat der Bundesrat zum Genehmigungsgesuch der Tarifpartner FMH und curafutura entschieden, dass der Einzelleistungstarif TARDOC noch nicht genehmigungsfähig ist. Das Genehmigungsgesuch wurde jedoch nicht abgelehnt. In einem Schreiben des Bundesrates an die einreichenden Tarifpartner (curafutura und FMH) wurden hingegen konkrete Forderungen definiert, welche Auflagen noch zu erfüllen sind, bevor der TARDOC genehmigt werden kann. Grundsätzlich ist TARDOC aber als Einzelleistungstarif gesetzt.

«Runder Tisch» von Alain Berset

Am 22. August 2022 fand in Bern der «Runde Tisch» von Bundesrat Alain Berset mit allen Tarifpartnern statt. In diesem Rahmen hat Bundesrat Berset erneut alle Tarifpartner aufgefordert, zusammen die beiden Tarifwerke – Einzelleistungstarif TARDOC und ambulante Pauschalen – weiter zu verfolgen und gemeinsam die jeweiligen Tarifwerke zur Genehmigung einzureichen. Er hat an diesem «Runden Tisch» jedoch nochmals klar bestätigt, dass der Einzelleistungstarif TARDOC, der deutlich weiter entwickelt ist als das Tarifprojekt ambulante Pauschalen, gesetzt ist. Nach Erfüllung der konkreten Auflagen zur Nachbesserung der statischen und dynamischen Kostenneutralität und der Einreichung der Konzepte zur Erfüllung der weiteren Forderungen gemäss Prüfbericht, kann TARDOC genehmigt werden. Bundesrat Berset hat auch klar bestätigt, dass keine zeitliche Koinzidenz zwischen der Einreichung des TARDOC und der ambulanten Pauschalen zur Genehmigung besteht. Allerdings sind die Auflagen und Forderungen des Bundesrates zeitlich begrenzt. Bis spätestens Ende 2023 müssen der TARDOC und allfällige, bis zu diesem Zeitpunkt genehmigungsfähige, ambulante Pauschalen beim Bundesrat zur Genehmigung eingereicht werden.

Spitzentreffen der Tarifpartner

Im Anschluss an den «Runden Tisch» fand auf Einladung des neuen Präsidenten der santésuisse, Martin Landolt, ein Spitzentreffen der Präsidenten der Tarifpartner statt. An diesem sehr konstruktiven Konsensmeeting wurde das weitere Vorgehen besprochen. Es wurde beschlossen, dass sich die Tarifpartner zu weiteren Eckwerten und zum Zeitplan im Umgang mit den beiden Tarifwerken bekennen. Diese Eckwerte sollen aus Sicht der FMH ausserhalb der noch zu gründenden Tariforganisation, quasi als übergeordnete Voraussetzung zur Gründung der Tariforganisation, von allen Tarifpartnern unterzeichnet werden. So kann gewährleistet werden, dass die grundlegenden Vorgaben zur Zusammenarbeit und zum weiteren Vorgehen in der OAAT von allen Tarifpartnern anerkannt werden.

Wie geht es weiter?

Die Delegiertenversammlung der FMH hat am 8. September 2022 der Gründung der OAAT und den Gründungsdokumenten (Statuten, Vereinbarung «Doppelte Parität» und Aktionärsbindungsvertrag) einstimmig zugestimmt. Allerdings unter dem Vorbehalt, dass vorgängig zur Gründung die Vereinbarung zu den Eckwerten der OAAT im Umgang mit den Tarifwerken TARDOC und ambulante Pauschalen von allen Tarifpartnern unterzeichnet wird.
Nachdem nun alle Tarifpartner der Organisation für ambulante Arzttarife (OAAT) zugestimmt haben und dieser Beschluss auch in ihren Gremien ratifiziert wurde, ist die Gründung der OAAT noch in diesem Jahr vorgesehen. Realistisch gesehen ist ein operativer Betrieb aber frühestens im zweiten oder dritten Quartal 2023 möglich. Mit der Aufnahme des operativen Betriebs der OAAT sollen die beiden bisher bestehenden Tariforganisationen ats-tms AG und solutions tarifaires suisse AG liquidiert und die Vermögenswerte daraus in die gemeinsame Organisation überführt werden.