Neue Patientenverfügung FMH

Aktuell
Ausgabe
2022/40
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.21104
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(40):32-35

Affiliations
Dr. iur. Rechtsanwältin, Stv. Leiterin Rechtsdienst, FMH

Publiziert am 04.10.2022

RevisionJede Person kann unerwartet aufgrund eines Unfalls oder eines medizinischen Eingriffs in eine Situation geraten, in der sie sich nicht zu den medizinischen Massnahmen äussern kann. Für eine solche Situation ist eine Patientenverfügung von grosser Bedeutung. Die FMH revidierte ihre Vorlagen und stellt eine neue Kurzversion und ausführliche Version zur Verfügung.
Im Notfall müssen die Behandelnden schnell wissen, was Patientinnen und Patienten wünschen.
© Saryrenko3 / Dreamstime
Eine Patientenverfügung kann in jedem Alter oder gesundheitlichen Zustand erstellt werden. Voraussetzung ist lediglich, dass die verfügende Person urteilsfähig ist. Die Patientenverfügung kommt immer nur dann zur Anwendung, wenn die verfügende Person urteilsunfähig ist, das heisst sich nicht selbst zu medizinischen Massnahmen äussern kann. Mit der Erstellung einer Patientenverfügung wird ermöglicht, dass das Behandlungsteam den Willen der verfügenden Person kennt und die Vertretungsperson und/oder die Angehörigen im Entscheidungsprozess unterstützt werden.

Was kann geregelt werden

In einer Patientenverfügung hält man fest, wie man bei Urteilsunfähigkeit medizinisch behandelt werden möchte. Es kann festgelegt werden, welchen medizinischen Massnahmen man zustimmt oder nicht zustimmt. Das Behandlungsteam ist verpflichtet, die Wünsche für eine Behandlung zu respektieren, sofern diese medizinisch sinnvoll sind und nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstossen.

Revision der Patientenverfügung FMH

Es hat sich gezeigt, dass die von der FMH seit mehreren Jahren zur Verfügung gestellte Kurz- und ausführliche Version der Patientenverfügung je nach Wahl von Therapieziel und Behandlungsmethode zu Widersprüchen führen kann und für die Anwender schwer verständlich ist. Eine Revision war unumgänglich.
Zusammen mit einer Expertengruppe, bestehend aus Experten und Expertinnen aus den Fachbereichen Intensiv- und Palliativmedizin, Intensiv- und Palliativpflege, Hausarztmedizin, Psychiatrie, Anästhesie und Notfallmedizin wurden die bestehenden FMH-Vorlagen eingehend diskutiert und überarbeitet. Mit einerseits Dr. iur. Caroline Hartmann, Rechtsdienst FMH und andererseits Dr. med. Jana Siroka, Mitglied des FMH-Zentralvorstandes, war auch die FMH in der Expertengruppe vertreten. Die FMH stellt wiederum eine Kurz- und ausführliche Version der Patientenverfügung zur Verfügung.

Ziele und Herausforderungen

Es stellten sich der Expertengruppe diverse Herausforderungen. Oberstes Ziel war es, Widersprüche bei der Wahl von Therapieziel und Behandlungswunsch zu vermeiden. Das Therapieziel und die Behandlungswünsche der Patientin oder des Patienten sollen für das behandelnde Team klar erkennbar sein. Zentral ist, dass die Notfallsituation deutlich geregelt werden kann.
Die Vorlagen berücksichtigen neu alle Formen der Urteilsunfähigkeit (plötzliche, länger dauernde und bleibende Urteilsunfähigkeit) und erlauben eine Auseinandersetzung mit dem Leben und zukünftigen medizinischen Behandlungen.
Die Patientenverfügung der FMH ist eine Hilfe für Ärztinnen und Ärzte, die Behandlungswünsche Betroffener zu erkennen.
© FMH

Kurz- und ausführliche Version

Sowohl in der Kurz- als auch in der ausführlichen Version hat die verfügende Person die Möglichkeit, sich zu ihrer Lebenseinstellung im Sinne einer Werteerklärung zu äussern. Dies hilft dem Behandlungsteam, die Person besser kennenzulernen.
Beide Versionen bieten die Möglichkeit, sich für das Behandlungsziel der Lebensverlängerung oder Leidenslinderung mit entsprechenden medizinischen Massnahmen zu entscheiden sowie sich zur Behandlung von Schmerzen und anderen belastenden Symptomen wie Atemnot, Angst und Übelkeit zu äussern. Die Patientenverfügung kann jeweils mit dem Entscheid zur Organspende abgeschlossen werden.
Mit dem modularen Aufbau der ausführlichen Version der Patientenverfügung kann die verfügende Person bestimmen, wie viele Teile sie ausfüllen möchte. Der Wille kann in der ausführlichen Version detaillierter bekundet werden als in der Kurzversion, und es besteht die Möglichkeit, sich zusätzlich zur letzten Lebensphase zu äussern.

Vertretungsperson

In einer Patientenverfügung können nicht alle Situationen berücksichtigt werden. Daher ist es wichtig, eine Vertretungsperson zu bezeichnen. Die Vertretungsperson bespricht mit dem Behandlungsteam die medizinischen Massnahmen und trifft die notwendigen medizinischen Entscheidungen. Dabei sind immer der mutmassliche Wille und die objektiven Interessen der Patientin oder des Patienten zu berücksichtigen.
Wenn keine Patientenverfügung erstellt und damit auch keine Vertretungsperson benannt wurde, kommt im Falle der Urteilsunfähigkeit hinsichtlich dem Entscheid über medizinische Massnahmen die sogenannte gesetzliche Kaskadenordnung zur Anwendung [1].

Und im Notfall?

In einer Notfallsituation kann es sein, dass lebensrettende Massnahmen eingeleitet werden müssen, bevor die Patientenverfügung gefunden und eingesehen werden kann. In solchen Fällen ergreift die Ärztin oder der Arzt medizinische Massnahmen nach dem mutmasslichen Willen und den Interessen der urteilsunfähigen Person. Sobald die Patientenverfügung vorliegt, kann das Behandlungsteam die Massnahmen an die in der Patientenverfügung geäusserten Wünschen anpassen.

Fachliche Beratung

Eine Patientenverfügung kann allein oder gemeinsam mit der Vertretungsperson oder den Angehörigen erstellt werden. Eine unterstützende fachliche Beratung wird empfohlen. Die Fachpersonen unterstützen den Patienten oder die Patientin dabei, die Bedeutung, Chancen und Risiken der einzelnen medizinischen Massnahmen einzuschätzen.

Wegleitung

Eine ausführliche Wegleitung, die mit den Vorlagen zur Verfügung gestellt wird, hilft den verfügenden Personen, die Kurz- oder ausführliche Version selbständig auszufüllen und sich bei Bedarf zu informieren.
Wichtiges
Die Patientenverfügung muss schriftlich verfasst, datiert und unterzeichnet werden.
Eine Kopie der Patientenverfügung kann bei der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt und auch bei der Vertretungsperson hinterlegt werden.
Empfehlenswert ist, eine Hinweiskarte auszufüllen und diese in das Portemonnaie zu legen.
Eine Kopie der Patientenverfügung kann im elektronischen Patientendossier abgelegt werden.
Es wird empfohlen, die Patientenverfügung alle zwei Jahre zu überprüfen. Eine Aktualisierung ist besonders dann wichtig, wenn sich die gesundheitliche Situation oder Lebensumstände verändern.
Infos
Auf der Webseite der FMH (www.fmh.ch/patientenverfuegung) finden Sie die Kurz- und ausführliche Version, wobei diese entweder ausgedruckt und handschriftlich oder digital ausgefüllt werden kann. Die Hinweiskarte ist in die Patientenverfügung integriert. Zudem finden Sie die Wegleitung
Die Patientenverfügung kann auch in gedruckter Form als Broschüre in Deutsch oder Französisch bei der FMH bestellt werden. Ein Set umfasst die Kurzversion, die ausführliche Version und die Wegleitung.