Dem Gehirn Sorge tragen

Organisationen
Ausgabe
2022/5152
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.21195
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(5152):38-41

Publiziert am 21.12.2022

Hirngesundheit Für die Arbeitsgruppe Brain Health ist die Hirngesundheit eine gesundheitspolitische Priorität. Denn immer mehr Menschen leiden an den Folgen neurologischer Erkrankungen. Nicht nur für die Betroffenen und ihre Angehörigen, sondern auch für die Gesellschaft ist das ein Problem. Die Arbeitsgruppe möchte dieser Entwicklung mit dem «Swiss Brain Plan» entgegensteuern.
Das Gehirn ist zentral für alle Aspekte des Lebens, für unsere physische, mentale und soziale Gesundheit und um unsere Potentiale als Individuen und Gesellschaft zu realisieren. Wenig beachtet ist aber die Tatsache, dass wir mit einer zunehmend sehr hohen gesundheitlichen, wirtschaftlichen und psychosozialen Belastung durch neurologische Erkrankungen konfrontiert sind. Sie betreffen mehr als ein Drittel der Bevölkerung und zählen zu den drei Hauptursachen für Tod, Behinderung und hohe Gesundheitskosten.

Mitglieder der Arbeitsgruppe Brain Health

Prof. Dr. med. Claudio L.A. Bassetti, Universitätsklinik für Neurologie, Inselspital Bern, Dekan Medizinische Fakultät, Universität Bern, Past-Präsident Schweizerische Neurologische Gesellschaft (SNG), Swiss Federation of Clinical Neurosocieties (SFCNS), European Academy of Neurology (EAN); Prof. Dr. med. Philippe Lyrer, Neurologische Klinik und Poliklinik, Universitätsspital Basel, Universität Basel, Präsident SFCNS, Past-Präsident Schweizerische Hirnschlag Gesellschaft (SHG), Mitglied Delegiertenversammlung FMH; Prof. Dr. med. Peter S. Sandor, Ärztlicher Direktor Neurologie ZURZACH Care, Präsident SNG, Past-Präsident Schweizerische Kopfwehgesellschaft (SKG); Prof. Dr. med. Sebastian Walther, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitäre Psychiatrische Dienste Bern, Universität Bern, Vize-Präsident Schweizer Gesellschaft für Biologische Psychiatrie (SGBP); Dr. med. Annette Hackenberg, Abteilung für Neuropädiatrie, Kinderspital Zürich, Universität Zürich, Präsidentin Schweizerische Gesellschaft für Neuropädiatrie (SGNP); Prof. Dr. med. Matthias Egger, Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern; Prof. Dr. med. Thomas Zeltner, Gründer und Präsident WHO Foundation, Genf; ehemaliger Leiter des Bundesamts für Gesundheit; Prof. Dr. med. Hakan Sarikaya, Universitätsklinik für Neurologie, Inselspital Bern, Universitätsspital, Universität Bern, Neuropraxis Birseck, Basel; Prof. Dr. med. Karl-Olof Lövblad, Abteilung für Neuroradiologie und medizinische Informatik, Universitätsspital Genf und Universität Genf, Präsident Schweizerische Gesellschaft für Neuroradiologie (SGNR); Prof. Dr. med. Andrea Klein, Abteilung für Neuropädiatrie, Kinderklinik, Inselspital Bern und Universität Bern, Vize-Präsidentin Schweizerische Gesellschaft für Neuropädiatrie (SGNP); Prof. Dr. med. Luca Remonda, Abteilung für Neuroradiologie, Kantonsspital Aarau, Past-Präsident SGNR, Vize-Präsident SFCNS; Prof. Dr. med. Urs Fischer, Universitätsklinik für Neurologie, Universitätsspital Basel, Universität Basel, Vize-Präsident SNG; Prof. Dr. med. Renaud Du Pasquier, Service de neurologie, Universitätsspital Lausanne, Universität Lausanne, Past-Präsident SNG; PD Dr. med. Andrea M. Humm, Abteilung für Neurologie, Kantonsspital Fribourg, Präsidentin Schweizerischen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie (SGKN); Prof. Dr. med Raphael Guzman, Universitätsklinik für Neurochirurgie, Universitätsspital Basel, Universität Basel, Präsident Schweizerische Gesellschaft für Neurochirurgie (SGNC); Prof. Dr. med. Giovanni B. Frisoni, Memory Center, Abteilung für Wiedereingliederung und Geriatrie, Universitätsspital Genf, Universität Genf; Prof. Dr. med. Erich Seifritz, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Psychiatrische Universitätsklinik, Universität Zürich; Prof. Dr. Sci. Nat. Kim Q. Do Cuénod, Abteilung für Psychiatrie, Zentrum für psychiatrische Neurowissenschaften, Universitätsspital Lausanne, Universität Lausanne, Präsidentin Swiss Biological Psychiatry (SSBP); Prof. Dr. med. Martin Hatzinger, Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Psychiatrische Dienste, Solothurner Spitäler AG, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Schlafforschung, Schlafmedizin und Chronobiologie (SGSSC); Prof. Dr. med. Paul G. Unschuld, Service de Psychiatrie Gériatrique, Abteilung für Psychiatrie, Universitätsspital Genf, Universität Genf; Prof. Dr. med. Barbara Tettenborn, Klinik für Neurologie, Kantonsspital St. Gallen, Präsidentin Schweizerische Epi-Liga; Prof. Dr. med. Andrew Chan, Universitätsklinik für Neurologie, Inselspital Bern und Universität Bern; Dr. med. Ansgar Felbecker, Klinik für Neurologie, Kantonsspital St. Gallen; Prof. Dr. med. Andreas Kleinschmidt, Service de neurologie, Universitätsspital Genf, Universität Genf, Präsident SKG; Prof. Dr. med. Michael Weller, Klinik für Neurologie, Universitätsspital Zürich, Universität Zürich, Präsident Schweizerische Gesellschaft für Neuro-Onkologie; Dr. med. Christian Kätterer, REHAB Basel AG, Past-Präsident SGNR; Prof. Dr. Phil. Iris-Katharina Penner, Universitätsklinik für Neurologie, Inselspital Bern, Universität Bern; Prof. Dr. phil. II Anita Lüthi, Departement für fundamentale Neurowissenschaften, Universität Lausanne, Präsidentin Swiss Society for Neuroscience (SSN); Prof. Dr. med. Marcel Arnold, Universitätsklinik für Neurologie, Inselspital Bern, Universität Bern, Past-Präsident SHG; Prof. Dr. med. Mirjam R. Heldner, Universitätsklinik für Neurologie, Inselspital Bern, Universität Bern.

Hirngesundheit in den Fokus stellen

Um diese Belastung zu reduzieren müssen - neben Diagnostik, Therapie und Rehabilitation - auch die Prävention neurologischer Erkrankungen und die Hirngesundheit («Brain Health») gefördert werden.
Von unserem Gehirn hängen kognitive, sensorische und motorische Funktionen ab, aber auch emotionales und soziales Verhalten. Unser Gehirn beeinflusst darüber hinaus auch unsere physische und psychische Gesundheit: Hirnfunktionen beeinflussen vaskuläre, endokrinologische und immunologische sowie psychische Prozesse und den Substanzverbrauch. Die Fähigkeit zur individuellen Gestaltung des Lebens und zur Integration in die Gesellschaft hängt entscheidend von einem gesunden Gehirn ab. Eine optimale Gesundheit ist somit für unser Wohlbefinden und für eine faire, gut funktionierende (und produktive) Gesellschaft entscheidend.

Es braucht gezielte Massnahmen

Bis heute wird der Hirngesundheit und neurologischen Erkrankungen (beziehungsweise Erkrankungen und Verletzungen des Nervensystems) allerdings zu wenig Beachtung geschenkt. In den meisten Ländern fehlen gezielte Massnahmen zur Förderung der Hirngesundheit und zur Prävention neurologischer und psychischer Erkrankungen [1]. Auch herrscht weltweit sowie in mehreren Ländern Europas eine deutliche Knappheit von Fachkräften verschiedener Berufsgruppen zur Behandlung von Hirnerkrankungen [2, 3, 21]. Schliesslich sind die Forschungsressourcen, die Lehre und die öffentliche Wahrnehmung angesichts der Häufigkeit und Bedeutung neurologischer Erkrankungen nicht ausreichend [3].
Abbildung 1: Belastung durch neurologische Erkrankungen (modifiziert durch Alain Blank von [2]).

Belastung des Nervensystems

Erst in den letzten fünf Jahren wurde die generelle Belastung der Gesellschaft durch neurologische Erkrankungen (Demenz, Hirnschlag, Epilepsie, Kopfschmerz, Parkinson-Krankheit, Multiple Sklerose, Schlafstörungen, Hirntumore, Schädel-Hirn-Trauma, neuromuskuläre Erkrankungen etc.) untersucht und deren Tragweite vollumfänglich erkannt [4]. Eine ähnliche Belastung trifft für psychische Erkrankungen zu, die hier gesondert betrachtet werden, aber ebenfalls Hirnerkrankungen sind.
Die aktuelle Lebenszeitprävalenz für neurologische Erkrankungen liegt bei über 30%. Aufgrund des ungesunden Lebensstils und der steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung wird eine weitere Zunahme neurologischer Erkrankungen antizipiert. Weltweit, aber auch in Europa, haben neuere Daten erkennen lassen, dass neurologische Krankheiten die Hauptursache für Behinderungen und die zweithäufigste (weltweit) beziehungsweise dritthäufigste (europaweit) Todesursache darstellen (siehe Abbildung 1) [5,6].

Finanzielle und persönliche Belastung

Eine Analyse aus dem Jahr 2010 (neuere Daten werden aktuell von der European Academy of Neurology (EAN) erhoben) schätzte, dass mehr als 3.3 Millionen Schweizerinnen und Schweizer mit einer neurologischen Erkrankung leben, mit dadurch assoziierten direkten Gesundheitskosten von über fünf Milliarden CHF pro Jahr [7]. Folgende neun Krankheitsgruppen (mit geschätzten Prävalenzdaten für die Schweiz) wurden darin berücksichtigt: Kopfschmerzen (n=2 359 744), Schlafstörungen (n= 682 598), Demenz (124 218), Hirnschlag (71 156), Epilepsie (38 150), Parkinson-Krankheit (17 624), Multiple Sklerose (7669), neuromuskuläre Erkrankungen (n=3894), Hirntumoren (3504).
Neuere Analysen für einzelne neurologische Krankheiten zeigen, dass die Kosten weiterhin drastisch steigen – so wurden 2019 nur für die Demenz bereits Gesundheitskosten von sechs Milliarden CHF pro Jahr berechnet. Werden indirekte Gesundheitskosten (zum Beispiel durch Erwerbsausfälle pflegender Angehöriger) in die Berechnungen einbezogen, ist für manche neurologische Erkrankungen wie fürDemenz sogar von doppelt so hohen Kosten auszugehen [8]. In der Schweiz wird die Zahl der Menschen im Alter von über 65 Jahren bis im Jahr 2050 auf ungefähr 2.7 Millionen ansteigen [9]. Hierdurch wird sich auch die Prävalenz der altersabhängigen neurologischen Erkrankungen (unter anderem Hirnschlag, Demenz, Parkinson-Krankheit) weiter erhöhen. Neben finanziellen und persönlichen Belastungen durch neurologische Erkrankungen erleben viele Betroffene und deren Angehörige psychische Erkrankungen, die ihrerseits ebenfalls Kosten und Belastungen hervorrufen (zum Beispiel Depressionen nach Hirnschlag, bei Multipler Sklerose oder bei Parkinson-Krankheit).

Prävention birgt grosses Potenzial

In den letzten 20 Jahren verwandelte sich die Neurologie von einer vorwiegend diagnostischen zu einer zunehmend auch therapeutischen Disziplin. Um die hohe Belastung zu reduzieren, ist es aber unerlässlich, auch die Prävention neurologischer Erkrankungen mehr in den Vordergrund zu rücken und die Hirngesundheit der Bevölkerung aktiv zu fördern. Bezeichnenderweise werden dem Thema «Prävention neurologischer Erkrankungen» in deutschsprachigen Standardtexten für Sozial- und Präventivmedizin nur wenige Sätze gewidmet [10,11]. Neuere Studien haben gezeigt, dass etwa 25% der Epilepsien, etwa 40% der Demenzen und >50% der Hirnschläge potenziell verhindert werden könnten [12,13]. Epidemiologische Beobachtungen weisen darauf hin, dass eine Vorbeugung beispielsweise von Demenz möglich ist [14].

Bisherige Definition von Hirngesundheit

Während die Definitionen der WHO zur Gesundheit (1948) und zur mentalen/psychischen Gesundheit (Mental Health, 2004) etabliert sind, ist diejenige zur Hirngesundheit aktuell noch in Diskussion [15,16]. Dabei ist es wichtig, eine Unterscheidung zwischen «Mental Health» und «Brain health» einerseits, und zwischen Neurologischen und Psychiatrischen Störungen/Krankheiten andererseits zu treffen [17,3], auch wenn ätiologische respektive physiologische Überschneidungen vorhanden sind und in der Klinik (zum Beispiel im Rahmen der neuropsychiatrischen Komplikationen der COVID-19 Infektion beziehungsweise im Rahmen des Long-COVID-Syndroms) die Trennung oft nicht möglich beziehungsweise sinnvoll ist [18, 6, 3]. Bis 2005 sind weniger als zehn Publikationen pro Jahr zum Thema «Brain Health» veröffentlicht worden, im Jahre 2021 waren es hingegen bereits mehr als 1800 [3].

Neu: ein holistischer Ansatz

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellte am 9. August 2022 das Positionspapier «Optimizing brain health across the life course» vor. Darin wird eine neue Definition vorgeschlagen. Diese setzt Hirngesundheit demjenigen Zustand gleich, der jedem Individuum die Gelegenheit gibt, seine kognitiven, emotionalen, psychologischen und verhaltensbezogenen Fähigkeiten und deren Potenziale zu realisieren [3]. Diese neue holistische, personenzentrierte Definition befürwortet stärkere multisektorielle und interdisziplinäre Kooperationen in sozialen und Gesundheitssystemen, um Prävention, Therapie, Rehabilitation, Versorgung und Teilhabe von neurologischen Patientinnen und Patienten und ihren Familien und Betreuungspersonen zu maximieren.
Hirngesundheit geht aber über die Abwesenheit von Krankheit hinaus – sie definiert einen Zustand der für Wohlbefinden, Produktivität, Kreativität und Bewältigung von Lebenssituationen unerlässlich ist («no Health without Brain health»). Gleichzeitig ist Hirngesundheit eine wichtige Komponente für die psychische Gesundheit, weshalb Präventionsmassnahmen der Hirngesundheit mehrere Bereiche verbessern können.

Determinanten der Hirngesundheit

Zahlreiche Faktoren über die gesamte Lebensspanne (von der pränatalen Phase bis ins hohe Alter) bestimmen und beeinflussen die Hirngesundheit. Die WHO nennt fünf bestimmende Faktoren (physical health, healthy environments, safety and security, learning and social connection, access to quality services) für die Hirngesundheit [3].
Ähnlich hat die European Academy of Neurology (EAN) diese Faktoren in folgenden Kategorien zusammengefasst (Abbildung 2) [2]:
Abbildung 2: Faktoren, die die Hirngesundheit bestimmen (modifiziert durch Alain Blank von [2]).

Die »neurologische Revolution»

Die Jahre 2020-2022 kennzeichnen einen Paradigmenwechsel hinsichtlich der Erkenntnis der Bedeutung der Hirngesundheit und neurologischer Erkrankungen [21]. Die WHO gründete 2020 eine eigene Abteilung für «Brain Health» und erstellte einen globalen Aktionsplan (GAP) zur Epilepsie und zu anderen neurologischen Erkrankungen. Dieser Plan wurde im Mai vom World Health Assembly übernommen und zielt darauf ab, «die Pflege, die Genesung, das Wohlbefinden und die Teilhabe von Menschen mit neurologischen Erkrankungen über den gesamten Lebensverlauf hinweg zu verbessern» (siehe Kasten). Mit diesem globalen Aktionsplan definiert die WHO neurologische Erkrankungen erstmals als eine Priorität, für die die Mitgliedsstaaten nationale Massnahmenpläne festlegen sollen, in welchen insbesondere spezifische Umsetzungsschritte und Indikatoren idealerweise angegeben werden.

Aktionsplan der WHO

Absichtserklärung [27]:
«Eine Welt, in der die Gesundheit des Gehirns über das gesamte Leben hinweg geschätzt, gefördert und geschützt wird; in der neurologische Störungen verhindert, diagnostiziert und behandelt und vorzeitige Sterblichkeit und Behinderung vermieden werden und in der Menschen mit neurologischen Störungen und ihre BetreuerInnen das höchstmögliche Mass an Gesundheit erreichen, mit gleichen Rechten, Chancen, Respekt und Autonomie.»
Strategische Ziele:
Förderung der Hirngesundheit
Prävention neurologischer Erkrankungen
Zeitnahe und effektive Versorgung von Patientinnen und Patienten mit neurologischen Erkrankungen

Unterstützung für den Aktionsplan

Die European Academy of Neurology (EAN) rief im Sommer 2021 mehrere Aktivitäten ins Leben, welche die Ziele des globalen Aktionsplans der WHO unterstützen, verfolgen und diese ergänzen. In diesem Jahr folgte die Publikation eines wegweisenden Strategiepapers («Hirngesundheit: ein Gehirn, ein Leben, ein Ansatz») und die Organisation eines «Brain Health Summits» (mit der Präsenz von multiplen europäischen Stakeholdern inklusive Prof. Dr. Vlastimil Valek, Gesundheitsminister der Tschechischen Republik (welche den Vorsitz des EU-Rates für die zweite Jahreshälfte 2022 inne hat).
Die Europäische Patientenorganisation EFNA (European Federation of Neurological Associations) hat zusammen mit der EAN die «One Neurology» Initiative lanciert mit dem primären Ziel, die neurologischen Stakeholder zu einigen und zu stärken [22].
Die World Federation of Neurology (WFN) hat den «World Brain Day» am 22. Juli 2022 dem Thema der Hirngesundheit gewidmet [23].

Der Gehirnplan Schweiz

Die Schweiz muss, wie auch andere Länder (zum Beispiel Norwegen, Deutschland, Uruguay), die Hirngesundheit und die neurologischen Krankheiten als prioritär anerkennen [2, 3]. Demzufolge sollten Politik und Akademie die klinischen Neurofächer, welche sich seit 2009 in der Swiss Federation of Clinical Neurosocieties (SFCNS) zusammengeschlossen haben [24], beauftragen, zusammen mit den experimentellen Neurofächern (repräsentiert durch die Mitglieder der Swiss Society for Neuroscience) und allen anderen Stakeholdern einen «Brain Plan» zu definieren und konkret aufzustellen, um die folgenden notwendigen Ziele so rasch wie möglich zu realisieren:
Die Ausarbeitung und Umsetzung eines «Swiss Brain Plan» schafft die dringend notwendige Grundlage für eine hirngesunde Schweiz.

Das Wichtigste in Kürze

Studien zeigen, dass neurologische Erkrankungen eine grosse finanzielle, persönliche und psychische Belastung für die Gesellschaft und die Betroffenen darstellen.
Seit 2020 wird die Bedeutung der Hirngesundheit und neurologischer Erkrankungen vermehrt wahrgenommen. Massgebend dafür ist ein Aktionsplan der Weltgesundheitsorganisation.
Auch die Schweiz sollte aktiv werden, findet die Arbeitsgruppe Brain Health. Sie fordert die Einführung eines «Swiss Brain Plan».
1 Corell CU, Galling B, Pawar A, Krivko A, Bonetto C, Ruggeri M, et al. Comparison of early intervention services vs treatment as usual for early-phase psychosis: a systematic review, meta-analysis, and meta-regression. JAMA Psychiatry 2018;75(6):555-565.
2 Bassetti CLA, Endres M, Sander A, Crean M, Subramaniam S, Carvalho V, et al. The ean brain health strategy: One brain, one life, one approach. A strategy to reduce the burden of neurological disorders and to promote the health of the brain. Eur J Neurol 2022;29:2559-2566.
3 Optimizing brain health across the life course: WHO position paper. WHO. 2022.
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10 Egger M, Razum O, Rieder A. Public Health Kompakt. De Gruyter Verlag, Berlin. 4. vollständig aktualisierte und erweiterte Auflage (erschienen: 24. März 2021).
11 Gutzwiller F, Paccaud F. Sozial- und Präventivmedizin. Public Health. Huber Verlag, 4. überarbeitete Auflage (erschienen: 2011).
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