Auf den Punkt

Lohnerhöhung: Was ist mit der Ärzteschaft?

News
Ausgabe
2022/4950
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2022.21313
Schweiz Ärzteztg. 2022;103(4950):8-9

Publiziert am 07.12.2022

Inflation Die Lebenshaltungskosten steigen, viele Berufsgruppen fordern eine Lohnindexierung. Auch die niedergelassene Ärzteschaft ist betroffen. Die Taxpunktwerte sinken jedoch stetig. Bei einer Podiumsdiskussion in Thun debattierten Vertreter der Ärzteschaft, der Krankenkassen und des Online-Vergleichsdienstes Comparis über das Problem und mögliche Lösungen.
Seit ich meine Praxis eröffnet habe, zahle ich 12,5% mehr Lohn pro Stunde. Die Kosten sind insgesamt gestiegen, insbesondere die IT-Kosten. Das spüren wir deutlich», sagte Boris Czermak. Der Handchirurg vertrat die Perspektive der niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Inflation und Arzttarife, die am 24. November in Thun (BE) im Rahmen des Jahreskongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Handchirurgie (SGH) stattfand.
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Auch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte spüren die Auswirkungen der Inflation.
© Sergej Solomatin / Dreamstime
Die Konsumentenpreise sind seit 2004, dem Jahr der Einführung der Tarifstruktur TARMED, um 10% gestiegen. Diese Teuerung dürfte in den nächsten Jahren angesichts der aktuellen Inflation weiter ansteigen. In den meisten Kantonen sind die Taxpunktwerte in diesem Zeitraum jedoch deutlich gesunken. Der Grund: Die Arbeit der Ärzte soll insgesamt nicht mehr kosten, selbst wenn die Leistungen steigen. Doch eine zentrale Frage zog sich wie ein roter Faden durch die Debatte: Haben niedergelassene Ärztinnen und Ärzte kein Anrecht auf einen Teuerungsausgleich in einem regulierten Tarifwerk, wenn sie sich für die Gesellschaft und die Lebensqualität der Bevölkerung engagieren?

Datenkrieg und Überregulierung

«Gibt es eine gültige Rechtfertigung, dass Taxpunktwerte ständig gesenkt werden, obwohl die Preise steigen?», fragte der Gesundheitsökonom Pius Gyger die fünf Teilnehmer: Vertreter der Ärzteschaft, der Krankenkassen und des Online-Vergleichsdienstes Comparis. Wolfram Strüwe sagte dazu, dass es der Ärzteschaft an verlässlichen Daten über ihre Leistungen fehle. Unter diesen Umständen sei es schwierig, Taxwertpunkte festzulegen, die die Realität widerspiegeln.
Urs Stoffel, Mitentwickler der neu geplanten Tarifstruktur TARDOC, die vom Bundesrat bisher noch nicht genehmigt wurde, erklärte, dass sehr wohl Kostendaten (Rollende Kostenstudie RoKo), wie auch Leistungsdaten (TrustCenter, Newindex) existieren, da TARDOC ja anhand von Daten entwickelt wurde. Wenn der Bundesrat den Tarifvorschlag aber anhand anderer ausgewählter Daten prüfe, sei es klar, dass es zu Abweichungen kommen werde.
Die Teilnehmer waren sich bezüglich der TARDOC-Verhandlungen einig, dass die vom Parlament gewollten gesetzlichen Grundlagen und Vorgaben eine grosse Belastung darstellen: «Sie begünstigen Blockaden in den Tarifverhandlungen», sagte Felix Schneuwly, Gesundheitsexperte bei Comparis. Er bedauert, dass ein tarifpartnerschaftlicher Vorschlag so detailliert geprüft werde: «Dann droht die Überregulierung.»

Beschleuniger des Fachkräftemangels

«Wie wäre es mit einer automatischen Kopplung an die Indexierung, wie es im stationären Bereich der Fall ist?», fragte Pius Gyger. «Spitäler sind keine Einzelpersonen, sondern Institutionen», antwortete Wolfram Strüwe. Das erleichtere die Einführung eines solchen Mechanismus. Josef Widler, Präsident der Zürcher Ärztegesellschaft, fügte hinzu: «Um einen Gewinn zu erzielen, hat ein Spital zwei Möglichkeiten: auf die Löhne drücken oder die Menge ausweiten. Wollen wir das wirklich im ambulanten Bereich?» Ohne moderne Tarife und Lohnindexierung und angesichts des zunehmenden Ärztemangels ist der Zürcher pessimistisch: «Wir werden in fünf Jahren nicht mehr in der Lage sein, die gleichen Leistungen im ambulanten Bereich gewährleisten zu können.» Seiner Meinung nach müsse man sich fragen, welche Leistungen Pflicht sein müssen. Urs Stoffel fügt hinzu: «Es werden uns zuerst die Fachkräfte fehlen, nicht das Geld.» Die aktuellen Bedingungen halten junge Ärztinnen und Ärzte davon ab, sich niederzulassen.
Aber kann ein neuer Tarif wirklich alle Probleme lösen, mit denen das Gesundheitssystem konfrontiert ist? «Ich glaube nicht, dass wir eine Kostenneutralität erreichen können», sagte Boris Czermak. Felix Schneuwly und Urs Stoffel sind optimistischer, dass ein transparentes Modell, das die tatsächlichen Kosten widerspiegelt, schwarz auf weiss zeigen wird, was man für die Leistungen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zahlen muss. Gemäss KVG, Art. 43, Abs. 4 müssen ja Tarife sachgerecht und betriebswirtschaftlich bemessen sein.