Warum Digitalisierung auch Spass machen kann

Schwerpunkt
Ausgabe
2023/08
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2023.21459
Schweiz Ärzteztg. 2023;104(08):70-71

Publiziert am 22.02.2023

Praxisalltag Wir haben drei Medizinische Praxisassistentinnen (MPA) gefragt, wie sie die Digitalisierung im Alltag erleben: Was ihnen an ihr besonders gut gefällt und was ihr im Weg steht.
Das Gesundheitssystem muss digitaler werden.» Diese Aussage hört man oft, wenn man sich in der Politik oder in der Szene umhört. Und nicht selten wird der Schluss gezogen, dass es die Arztpraxen sind, die im Kern für das Problem verantwortlich sind. Denn wo sonst wird noch viel zu viel mit Papier gearbeitet und/oder Faxe geschickt, so die Pauschalisierung aus der Distanz.
In der täglichen Arbeit, wenn wir uns mit den Herausforderungen und Sorgen der Arztpraxen rund um die Praxis-Administration auseinandersetzen, erleben wir die Ärzte und MPAs nicht als Verhinderer. Die Digitalisierung wird nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern vielmehr suchen die Praxen nach Wegen, wie sie effizient und pragmatisch die immer grösser werdende Administration meistern können.
Female doctor working on laptop in office
Mit den richtigen digitalen Hilfsmitteln macht die Praxisadministration wieder Spass.
© JackF / iStock
Wir wollten es genauer wissen und haben bei den drei MPAs Emma S., Angie W. und Cindy H. aus Praxen in Winterthur, Zürich und Kriessern nachgefragt, wie Sie die Digitalisierung im Alltag erleben.
Zuerst als Einstieg, damit wir ein Gefühl erhalten, wie ihr in euren Praxen arbeitet: Wie digital ist deine Arztpraxis und warum?
EMMA: «Auf einer Skala von 0-10, würde ich sagen 8. Wir versenden Berichte, Rezepte, Verordnungen etc. ausschliesslich über eine digitale Plattform. Auch im Team wird rein digital kommuniziert, was eine bessere Nachvollziehbarkeit gewährleistet. Diese Prozessabläufe begünstigen auch das Arbeiten im Homeoffice für die MPAs und den Arzt.»
ANGELIKA: «In den letzten Jahren haben wir uns schrittweise weitestgehend digitalisiert und nutzen nebst der elektronischen Krankengeschichte (KG) einige digitale Tools, wie die digitale Signatur beim Rezept- und Berichtversand oder eine Onlineterminbuchung für Patienten. Trotz all unseren Bemühungen scannen wir weiterhin täglich noch Briefpost ein und lassen wichtige Formulare von Patienten auf Papier unterschreiben.»
CINDY: «Digital zu arbeiten ist die Zukunft und macht viele Prozesse effizienter und einfacher. Auf der Skala 0-10 sind wir bei 9. Wir arbeiten bereits mit diversen digitalen Tools: Elektronische KGs, online Terminvergabe, digitales Postfach (damit wir Berichte ganz einfach und in kürzester Zeit in die KG ablegen können). Ferner arbeiten wir mit elektronischen Medikamenten-Bestellungen anhand des Lagerbestandes und mit einer App, damit die Patienten Ihre Dokumente immer bei sich haben.
Eigentlich sollte Digitalisierung ja vor allem Nutzen stiften, und im Idealfall sogar Spass machen. In welchen Fällen macht dir Digitalisierung Freude?
EMMA: «Mein Team und ich haben Freude, wenn wir merken, dass wir deutlich effizienter in den administrativen Prozessen sind und wenn wir beobachten, dass Fehlerquellen minimiert werden und damit die Patientensicherheit erhöht wird. Mir persönlich gefällt der ökonomische Aspekt sehr, da wir mit der Digitalisierung massiv an Papier und Druckerpatronen sparen.»
CINDY: «Mir bereitet die Digitalisierung Freude, weil ich sehe, wie viel Zeit sich im Alltag einsparen lässt.»
ANGELIKA: «Ich freue mich, wenn es gelingt, Fehlerquellen zu minimieren und gleichzeitig Prozesse zu verschlanken. Es fasziniert mich immer wieder, wie Schnittstellen die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Tools/Programmen erlauben und entsprechend Prozesse vereinfachen. Ein Beispiel: Bei einem medizinischen Bericht im digitalen Posteingang wird aufgrund von Texterkennung und Schnittstelle direkt der Patient aus dem Patienteninformationssystem (PIS) vorgeschlagen. Damit haben wir eine grosse mögliche Fehlerquelle – die Berichtablage beim falschen Patienten – beinahe eliminiert.»
Wenn der Einsatz von digitalen Hilfsmitteln so viele Vorteile bringt, warum werden sie nicht öfters und schneller eingesetzt? Was sind aus deiner Sicht Hürden für die Digitalisierung?
EMMA: «Die grösste Hürde der Digitalisierung ist meines Erachtens die Angst vor Veränderung und neuen Prozessabläufen. Ich kann mir auch vorstellen, dass anfallende Kosten abschrecken.»
CINDY: «Digitalisierung bringt auch ein kleines Risiko mit sich. Steigt das Internet oder ein Computer aus, ist Improvisieren angesagt. Des Weiteren scheint eine Digitalisierung am Anfang mit viel Aufwand verbunden. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass sich der Aufwand lohnt und schnell auszahlt.»
ANGELIKA: «Da wir mit sehr heiklen Gesundheitsdaten arbeiten, muss dem Datenschutz besondere Beachtung geschenkt werden. Daneben dürfen auch der (fehlende) Zeitfaktor, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und der Kostenfaktor (zumindest auf den ersten Blick) nicht unterschätzt werden.»
Nach den Interviews mit den MPAs fühlen wir uns aus unserer Sicht und Erfahrung mit den Praxisteams bestätigt: Digitalisierung kann auch Spass machen. MPAs überzeugt man mit digitalen Prozessen, wenn Sie den Arbeitsalltag vereinfachen und Fehlerquellen minimieren. Diese Vorteile in den Tools und Werkzeugen müssen so stark beleuchtet werden, dass die vielfältigen Hürden, die es wohl immer geben wird, überwunden werden können.
Herzlichen Dank für das engagierte Mithelfen Emma, Angelika und Cindy.
Philipp Baltensperger
ist Leiter Sales bei BlueCare in Winterthur. Unterstützt seit neun Jahren Ärzte und MPAs bei der Digitalisierung. Lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Zürich.