access_time veröffentlicht 28.11.2017

Bewertungen ärztlicher Leistungen und Institutionen

Prof. Dr. Susan Göldi, Dozentin für Kommunikation, FHNW, Olten

Online only

Bewertungen ärztlicher Leistungen und Institutionen

28.11.2017

Wie Spitäler und Praxen auf das sich verändernde Kommunikationsverhalten reagieren sollten.

Das Wichtigste im Überblick:

  • Weltweit starten die meisten Gesundheitsabfragen mit der Eingabe bei Suchmaschinen (in der Schweiz 82%). Gefolgt von Krankenhaus-Webseiten (76%) und gesundheitsspezifischen Informationsseiten (52%).

  • Die Krankenhauswahl ist kein rationaler, sondern ein sozialer, iterativer Entscheidungsprozess. 

Beim Prozess der Spitalwahl gibt es, abhängig vom Alter der PatientInnen, markante Unterschiede:

  • Altersgruppe < 70: Halten sich bei der Krankenhauswahl strikt an den Rat ihres Arztes  
  • Altersgruppe 51-69: Nehmen ärztlichen Rat an, recherchieren jedoch zusätzlich online andere Optionen. 
  • Altersgruppe 35-50: Orientieren sich an Gesundheitsmarken und konsultieren soziale Netzwerke.
  • Altersgruppe 18-34 : Patientenerfahrung ist entscheidend.

Interview: Matthias Scholer

Frau Göldi, in Ihrem Artikel raten Sie den Verantwortlichen der Krankenhäuser, sich aktiv um ihre Online-Präsenz zu kümmern. Weshalb? 

Weil der Trend eindeutig ist. Immer weniger Patientinnen und Patienten folgen bei der Wahl des Krankenhauses «blind» dem ärztlichen Rat. Sie informieren sich parallel dazu in ihrem sozialen Umfeld und im Internet. Damit spielen die Webseiten der stationären, aber auch ambulanten Anbieter eine zentrale Rolle.

Sollen die Spitäler also vermehrt für ihre Leistungen werben?

Bei einem zeitgemässen Internetauftritt geht es nicht um Anpreisungen, sondern um ein authentisches Auftreten sowohl des Kaders, als auch der Belegschaft. Das gelingt bereits mit einfachen Kommunikationsmitteln wie Videos, in denen sich die Mitarbeitenden in Ton und Bild vorstellen und erklären, was ihre Leistungen sind und wofür sie einstehen. Das Ziel muss sein, sich zu präsentieren und bei den PatientInnen Sympathiebrücken aufzubauen. Selbstverständlich schliesst dies nicht aus, dass auch faktisch informiert wird – sei es durch belegbare Fallzahlen oder Outcome-Daten. Gemäss einer repräsentativen Befragung von GFS (2016) wünschen sich 82% der Schweizerinnen und Schweizer Qualitätsdaten zu einem Spital und drei Viertel glauben, das führe zu mehr Qualität.   

Können Sie uns einige aus Ihrer Sicht gelungene Beispiele solcher Webseiten geben?

Als Musterschülerin im Reputationsmanagement gilt die Mayo Clinic in den USA. Bei Webseiten verdienen beispielsweise das Detroit Medical Center, das Hurley Medical Center oder die Springfield Clinic Beachtung. Ein interessantes Beispiel aus der Schweiz liefert die Universitätsklinik Balgrist.

Soll sich ein Spital oder eine Praxis auch von den PatientInnen bewerten lassen?

Es ist nun mal ein Zeichen unserer Zeit, dass man Dienstleistungen bewerten kann. Bewertungsplattformen wie comparis.ch oder spitalfinder.ch machen auch vor dem Gesundheitssektor nicht halt . Und es ist eine gute Idee, wenn eine Institution eine eigene Feedback-Möglichkeit anbietet, statt dies alleine Dritten zu überlassen. Wichtig ist, dass sich Feedbackmöglichkeiten auf Kriterien beziehen, die den Patientinnen und Patienten oder deren Angehörigen wichtig sind. Also, zum Beispiel auf Freundlichkeit des Personals, Wartezeiten, Zufriedenheit mit der Beratung durch den Arzt, die Ärztin, Übergabeprozedere zwischen involvierten Stellen.

Ein grosser Aufwand....

Natürlich müssen dafür Ressourcen bereitgestellt werden. Aber es lohnt sich, weil man so extrem wertvolle Feedbacks erhält, die einem helfen, Schwachstellen zu erkennen und Änderungen einzuleiten.

Gelten diese Empfehlungen hauptsächlich für den stationären Bereich, oder lassen sie sich auch auf den ambulanten Sektor erweitern?

Grundsätzlich ja. Aber eine Hausarztpraxis kann natürlich die Kommunikation entsprechend einfacher gestalten. Unabhängig von der Praxisart ist es wichtig, dass die MedizinerInnen ihre PatientInnen aktiv fragen, welches Wissen sie in die Sprechstunden mitbringen und aus welcher Quelle dieses stammt. Damit nehmen sie die informierte Patientin, den informierten Patienten ernst und kommen ins Gespräch. Sie können der Patientin und dem Patienten helfen, Informationen einzuschätzen und zu interpretieren. Ausserdem: Wenn sich ÄrztInnen aktiv in Foren oder Gesundheitsblogs einschalten, tragen sie zu deren Qualität bei und damit auch zur Aufklärung von Patientinnen und Patienten.

Kommunikation zu Gesundheitsthemen reicht also als weit übers Sprechzimmer hinaus?

Ja, gemäss einer Studie von Swisscom informieren sich 84% der Schweizerinnen und Schweizer aktiv zu Gesundheitsthemen und das überwiegend online. Dabei interessieren neben spezifischen Krankheiten und Behandlungen auch Themen wie Abnehmen, Pflege Angehöriger, Schwangerschaft und Geburt sehr stark. Parallel zu Online-Quellen werden auch Broschüren, Zeitschriften, Tageszeitungen, TV-Beiträge zu Gesundheitsthemen stark genutzt. Das Thema Gesundheit und alles, was damit zusammenhängt, interessiert die Bevölkerung enorm.

Trauen Sie eine solche Kommunikation den Ärztinnen und Ärzten zu?

Die meisten Ärztinnen und Ärzte setzen sich täglich auch dank ausgezeichneter Kommunikation für das Patientenwohl ein. Viele sind schon heute fleissig und kompetent in den Medien präsent – und mit einer neuen Generation dürfte sich der Dialog verstärken und der Umgang mit informierten Patientinnen und Patienten zur Normalität werden.   

 

Weiterführende Links:

SRF: Arztbewertung – Wie viele Sterne dürfen’s denn sein?   

Swiss eHealth Barometer

Health literacy as a public health goal: a challenge for contemporary health education and communication strategies into the 21st century  

Prof. Dr. Susan Göldi

Dozentin für Kommunikation, FHNW, Olten

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